Muschi, Bello und die JuLis: Ein Lebenszeichen?

Meine Freundin erzählte mir letztens folgende Geschichte: Sie in der Tram. Ein paar Sitze weiter sitzt ein chinesisches Pärchen mit zwei kleinen Welpen. Es tritt ein: Ein deutsches Pärchen. Er zu ihr: Guck mal, die werden die Hunde gleich essen! Kichern. Kurze Zeit später: Zwei junge Männer setzen sich ebenfalls in die Nähe. Er zu ihm: Guck mal, die werden die gleich essen! Noch einmal etwas später. Es tritt ein: Eine Mutter mit Kleinkind. Die Mutter, flüsternd: Guck mal, die werden die Hunde jetzt gleich essen! Geschichten, die das Leben schreibt.
Und nun – wer hätte es gedacht: ein Lebenszeichen von den JuLis!

Der Landesverband [der Jungen Liberalen in Sachsen-Anhalt] hat unter der Überschrift „Schlachtverbote aufheben – Auch Hunde kann man essen“ eine Legalisierung der Schlachtung von Hunden und Katzen vorgeschlagen. Eine Begründung lieferte die Gruppe gleich mit: Das „erst 1986 in Deutschland eingeführte Schlachtverbot ist lediglich durch merkwürdige Moralvorstellungen zu erklären“, hieß es in Antrag 802 auf dem Juli-Bundeskongress. Das Verbot stelle „eine Diskriminierung anderer Kulturen dar, in denen Fleisch der genannten Tiere als Delikatesse gilt“.

Das ist ziemlich punktgenau die völlig einleuchtende Argumentation, die ich schon seit Jahren in ähnlichen Diskussionen immer mal wieder anbringe – auch wenn ich bisher nicht wusste, dass das Grillen von süßen Wauwaus in Deutschland sogar verboten ist. Umso schlimmer. Hier jedenfalls sieht man die FDP (bzw., ehrlicher gesprochen, eine Arbeitsgruppe innerhalb eines vergleichsweise unbedeutenden Landesverbands innerhalb der Jungen Liberalen) mal dort im Einsatz, wo sie eigentlich hingehört: beim Aufbrechen kleinbürgerlicher Vorurteile, beim Eintreten für einen kosmopolitischen Bürgersinn, der nicht an nationalen Kulturgrenzen Halt macht. Der Kacksturm allerdings ist vorprogrammiert, wenn man sich Muschi und Bello gegenüber nicht hinreichend unterwürfig zeigt. Die Argumentation der Liberalisierungsgegner läuft ungefähr so (hier Benutzer „mischamai“ im Spiegel-Forum):

 

So eigentlich hat sich diese Spasspartei ja selber abgeschafft,kein Mensch hat sie bis jetzt vermisst.Die letzten Überbleibsel der Dummheit sollte man schräddern und als Hundefutter verkaufen.Der Erlös kommt den Putzfrauen zu die die letzten Spuren dieser Versager beseitigen.

„Tierschützer“ aus der ganzen Republik sind empört – und verzweifelt auf der Suche nach irgendeinem Argument dafür, warum Hunde und Katzen verschont bleiben sollten, während man Schweine und Kühe weiterhin frohgemut schlachten darf – obwohl es auch in Deutschland Menschen gibt, die sie gerne essen würden. Was echter Tierschutz ist, beweisen dagegen ausgerechnet die JuLis Baden-Württemberg mit einer Beschlussvorlage, die erfreulicherweise einem ganzen Batzen meiner eigenen Vorurteile gegen die Jung-FDPler widerspricht:

 

Aus Sicht der Jungen Liberalen besteht die Aufgabe des Staates hierbei [beim Tierschutz] vor allem in der Vorgabe strenger Rahmenbedingungen für die Haltung von Tieren und deren Schlachtung beziehungsweise Fang sowie deren Kontrolle. Empfindungsfähige Wesen dürfen in ihrer Haltung nicht zum bloßen Objekt menschlicher Interessen verkommen. Die Rücksicht hierauf ergibt sich aus dem ethischen Bewusstsein, das den Mensch auszeichnet und hervorhebt. (Antrag 703)

Selbstverständlich hat mittlerweile der Bundesverband alles dementiert und feige den Schwanz eingezogen. Trotzdem – oder gerade deshalb: Ich reiche euch die Bruderhand, marginale Splittergruppen der JuLis in Sachsen-Anhalt!

About Author: WWWWWSören Brandes

Geboren 1989 in Paderborn, hat Geschichte und Literatur in Berlin und Lund studiert. Master in Moderner Europäischer Geschichte. Promoviert derzeit am Graduiertenkolleg „Moral Economies of Modern Societies“ am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung über die Geschichte des Marktpopulismus. Lebt in Berlin-Neukölln und interessiert sich für eigentlich alles, insbesondere für Globalisierungsphänomene, den Einfluss der Massenmedien darauf, wie wir denken und leben, und europäische Politik. Mail: soeren@unserezeit.eu, Twitter: @Soeren_Brandes, Facebook: Sören Brandes View all posts by

13 Gedanken zu „Muschi, Bello und die JuLis: Ein Lebenszeichen?“

  1. Der erste Absatz ist natürlich auch vollgepackt mit bekannten Vorurteilen mit denen ich hier mal kurzerhand aufräumen möchte. Ich bezweifel nämlich stark, dass es in Deutschland sonderlich viele Menschen geben wird, die gerne Hunde und Katzen essen möchten. Es ist nicht mehr als ein gängiges Vorurteil, dass alle Chinesen Hunde und Katzen essen. In den großen Metropolen beispielsweise, findet man nur noch wenige Märkte, welche Hunde und Katzen anbieten. Zudem war es immer eine Delikatesse und dementsprechend teuer. Das selbe gilt für Vietnam oder Korea. So viel also vorne weg. Auch in der Schweiz gehören Hunde zu den Fleischsorten, welche konsumiert werden oder wurden.
    Die Eingangs-Anekdote gefällt mir daher nicht wirklich.

    Das ändert natürlich nichts an der simplen Feststellung, dass es keinen Grund gibt Hunde- und Katzenfleisch zu tabuisieren. Letztendlich bleibt es aber bei der einfachen Feststellung. Nun kann man für eine rechtliche Legalisierung kämpfen würde damit aber nicht wirklich enttabuisieren. Zu sehr sind Hund und Katze des Menschen bester Freund in westlichen Hemisphären.

    So sehr ich mich für Gleichstellungen freue insbesondere bei multi- oder transkulturellen Aspekten, so wenig traue ich der FDP oder einigen Julis zu, hier eine besondere Rolle einzunehmen. Zu sehr war die Partei stets damit beschäftigt, der konservativen Seite in den Allerwertesten zu kriechen.

    Das Aufbrechen „kleinbürgerlicher“ Vorurteile würde in dem Fall bereits an der Anekdote scheitern und halt spätestens bei der „nationalen Kulturgrenze“ ist für die Liberalen ohnehin immer Schluss gewesen. Freiheitliche Positionen wurden darauf bezogen (wenn überhaupt) in den letzten 20 Jahren nur von SPD/Grünen/Linken vertreten.

  2. Ich hatte eigentlich gehofft, dass deutlich genug ist, dass der erste Absatz genau die „kleinbürgerlichen Vorurteile“ illustriert, die weiter unten kritisiert werden. Kann aber auch sein, dass das etwas zu unvermittelt dasteht.

    Weiters würde ich dafür plädieren, FDP und „Liberale“ auseinanderzuhalten. So oder so meine ich aber schon, dass es auch (oder sogar vor allem?) „Liberale“ waren, die in den letzten sagen wir 40 Jahren dazu beigetragen haben, die nationalen (Kultur-)Grenzen zu perforieren – siehe Globalisierung, die ohne liberales – und sogar „neoliberales“ – Gedankengut vermutlich nicht in dem Maße in Gang gekommen wäre. Vor einiger Zeit gab es ja den Vorschlag von Philip Rösler, in einem seltenen guten Moment geäußert, junge Südeuropäer mit deutschen Ausbildungsplätzen zu versorgen – torpediert ausgerechnet von der Linken mit dem Argument, erst einmal müssten doch die Deutschen versorgt werden…

  3. Interessantes Thema … Vielleicht interessiert auch ein Ausblick auf die ökonomische Seite?

    Das Verbot des Genusses von HuK-(= Hunde und Katzen)Fleisch bedeutet, daß hierfür im deutschen Rechtsgebiet nur ein illegaler, d.h. Schwarzmarkt, existieren könnte. Die Aufhebung dieses Verbotes ließe einen legalen Markt entstehen.

    Ein Schwarzmarkt für HuK-Fleisch hat gegenwärtig keine Chance, weil der Angebotspreis zu hoch wäre (Strafverfolgungs-Vermeidungskosten), die Nachfrage zu gering, weil es sehr viele billige Fleischsubstitute gibt (Schweine-, Rind-, Geflügelfleisch etc.) In der Hungerzeit nach WW2 war das anders. Substitute waren in Städten unbezahlbar; die staatliche Strafverfolgung nicht nötig, weshalb Schwarzmärkte für HuK-Fleisch blühten. (Ein Nachbar von uns war Spezialist für die Lieferung von „Dachhasen“-Fleisch.)

    Wie stünde es um einen legalen Markt für HuK-Fleisch? Auf der Angebotsseite würden sich Unternehmen als Lieferanten etablieren, wie wir sie heute von Mästereien anderer eßbarer Tierarten kennen. Vielleicht würden Tiere aus den südlichen Ländern importiert, von denen dort ja viele besitzerlos im Freien leben. Unsere Tierheime hier stünden plötzlich in völlig neuem Lichte da: Vom Almosenempfänger zum Marktlieferanten von Qualitätsfleisch mit Herkunftszertikat? Auf der Nachfrageseite würden zwar kurz- bis mittelfristig hohe psychische Kosten (= ethische Vorbehalte gegen den Genuß dieser Fleischsorten) fortbestehen, langfristig aber weniger ins Gewicht fallen. Die tatsächlichen Marktpreise der Güter wären aber gering und konkurrenzfähig zu denen anderer Fleischsorten, weil sie auf vergleichbare Weise produziert würden.

    Ökonomisch gesehen, geht es hier um die Frage, ob der Staat einen Markt verbieten soll oder nicht (wie etwa bei Rauschgift, Nieren etc.). Dafür gibt es diskussionsfähige Kriterien und Argumente, z.B. im Lehrbuch „Neue Mikroökonomie“ von Peter Weise u.a., 5. Aufl., Physica-Verlag, Heidelberg, 2005, Kapitel 2: „Knappheit, Alternativkosten und Diskriminierung“. Liberale neigen dazu, die Entstehung von Märkten zuzulassen.

    Was aber sagt der Fachmann, der vielfache Mops-Besitzer Loriot, zu all dem? „Natürlich kann es ein Leben ohne Möpse geben. Aber ist es dann auch lebenswert?“

  4. Zwei kleine Nachträge:

    „Anne, 63, Prinzessin, hat das britische Tabu des Verzehrs von Pferdefleisch infrage gestellt. Die Tochter von Queen Elizabeth und frühere erfolgreiche Vielseitigkeitsreiterin sagte bei einem Treffen der Tierschutzorganisation World Horse Welfare in London, daß sich die Einstellung der Briten „zum Handel und zum Wert von Pferdefleisch“ ändern müsse. Pferdebesitzer würden besser für ihre Tiere sorgen, wenn sie deren Fleisch verkaufen könnten.“ (SZ, 16./17.11.13, S. 12) Eine marktliberale Prinzessin, mehr freiheitlich als monarchistisch gesinnt.

    Woher aber kommen alle diese Tierfleischtabus, weltweit und religionsspezifisch? Diskutable Antworten aus materialistischer Perspektive gibt der Kulturanthropologe Marvin Harris in seinem Buch: Kannibalen und Könige, Frankfurt/Main: Umschau 1978, z.B. in den Kapiteln „Verbotenes Fleisch“, „Der Ursprung der heiligen Kuh“ etc.

  5. Endlich setzt sich jemand für Alf ein, das haben wir gebraucht!

    Ernsthaft, die FDP hatte jetzt 50 – X Jahre Zeit, die überkommenen Kirchenprivilegien abzuschaffen und was hat sie getan? Nen Scheiß.

    Sich jetzt für Katzen-Lasagne einzusetzen, weil ein paar Außerirdische das wollen – grandios! Damit holen sie bei der nächsten Wahl bestimmt verdiente 2%.

  6. Statt sich um die 75% Atheisten im Land zu kümmern [genauen Prozentwert bitte selbst eintragen] kümmert man sich also lieber um die 0,001% die vielleicht gerne Bello zum Neujahrstag essen würden.

    Warum?

    Weil man im ersteren Fall sich einmal selbstkritisch fragen müsste, warum es in all den Jahren nicht gelungen ist, die Kirchenprivilegien abzubauen. Statt dessen zeigt man jetzt wieder mit dem Finger auf andere. FDP, Du lernst nichts dazu.

  7. Es gibt interessanterweise sogar auch heute schon einen Schwarzmarkt mindestens für Hundefleisch, wie mir aus glaubwürdiger Quelle berichtet wurde. Das läuft dann z. B. so, dass der Hund nur auf der chinesischen Speisekarte angeboten wird. Wieviele solche Angebote dann wahrnehmen, lässt sich natürlich schwer sagen, aber immerhin gibt es Leute, denen die Aufhebung des Verbots also tendenziell zugute kommen würde.

  8. Zu Kirchenprivilegien & Atheisten: Ich sehe nicht recht, warum das eine das andere verhindern würde – und wo überhaupt der Zusammenhang ist. Aber dass die FDP die letzten 30 Jahre mit der CDU koalierte, würde ich ihr ebenfalls zum Vorwurf machen – wie auch sehr vieles andere.

    Noch eine semantische Bemerkung. Du schreibst: „Statt sich um die 75% Atheisten im Land zu kümmern [genauen Prozentwert bitte selbst eintragen] kümmert man sich also lieber um die 0,001% die vielleicht gerne Bello zum Neujahrstag essen würden.“ Ich bin in diesem Zusammenhang stark gegen das Wort „kümmern“, weil es suggeriert, dass der Staat hier aktiv werden muss, weil die Leute (hier: potentielle Hundeesser) alleine nicht klarkommen. Das ist aber genau falsch: Es geht hier um die Abschaffung eines völlig überflüssigen und tendenziell ausländerfeindlichen _Verbots_, nicht um die Schaffung neuer Regeln und Zuständigkeiten; also um einen Rückzug des Staats, nicht um neue Aufgaben für ihn. Wie groß die Bevölkerungsgruppe ist, die dieses völlig überflüssige und tendenziell ausländerfeindliche Verbot betrifft, sollte für uns erstmal keine Rolle spielen, und von daher sind auch die erhofften 2 Prozent noch kein Argument. Man könnte ja auch sagen: Endlich setzt sich mal jemand (außer der PARTEI) für eigentlich nicht wahlrelevante Minderheiten ein (bzw. gegen deren Diskriminierung).

  9. Worüber man diskutieren kann, in einer beeindruckenden Epik…
    Ich habe gerade noch den Artikel gelesen und mühsam zwei Kommentare. Um was geht es?
    HuK (die Abkürzung hat mir besonders gut gefallen. – Aus Coburg vielleicht?) in Form von Salami, Mortaedlla, Schinken, als Rollbraten, Filetstücke, Leberwurst Grob und Leberwurst Fein und sonstige Leckereien ist offenbar verboten. Und den JuLis, eine ohnehin erschreckend banale Vereinigung, geht das ganze gegen ihren Liberalismus. Sie wollen das Verbot aufheben. Ob aus Sympathie für den gescheiterten Noch-Vorsitzenden der Mutterpartei, oder weil sie schon immer bei Mc Donalds „Ching-Chang-Chong“ Wochen richtiges China Essen bewundern wollen… man weiß es nicht.
    Ich weiß nur, dass mich der Artikel amüsiert hat.

    Herzlichst
    JM

  10. „Empfindungsfähige Wesen dürfen in ihrer Haltung nicht zum bloßen Objekt menschlicher Interessen verkommen. Die Rücksicht hierauf ergibt sich aus dem ethischen Bewusstsein, das den Mensch auszeichnet und hervorhebt.“

    Sören, Du argumentierst in die falsche Richtung.. Der Konflikt ist ja der: obwohl beide Tiergruppen (Schweine, Kühe vs. Hunde, Katzen) vergleichbare Wahrnehmungen haben, bringen wir ihnen ungleich Empathie entgegen.

    Du fragst: Wenn wir die einen schlachten, warum die anderen nicht? Meiner Meinung ist die Frage eher: Wenn die einen das Begräbnis im Hinterhof bekommt, warum die anderen nicht?

    Geht man von einer Kontinuität kognitiver Entwicklung aus, die uns Genetik- & Verhaltensforschung nahelegt (und nicht, wie es z.B. in religiösen Weltbildern der Fall ist, von kategorischen Unterschieden), wird es schwer zu Argumentieren. Deines war: wenn schon Rinder, warum nicht Hunde? … Wenn schon Hunde, warum nicht Affen? Und wenn nicht Affen, warum nicht Menschen? Natürlich die „minderen“… (Entschuldige den sardonischen Ton.)

    Den Doppelstandard sprichst Du ja auch an, mit dem bei Dir die (unechten) „“Tierschützer““ argumentieren, und damit niemanden einen Gefallen tun. Der „echte Tierschutz“ aus dem obigen Zitat ist, m.E., ein guter Schritt in die richtige Richtung. Aber eben auch nur das..

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