Das türkische Referendum ist gelaufen. Die Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung, AKP), Erdoğan und seine Anhänger haben gewonnen. Nach offiziellen Angaben wurde die neue Verfassung mit 51,41 Prozent angenommen. Die Wahlbeteiligung soll laut staatlichen Verlautbarungen bei 86 Prozent gelegen haben. 51,41 Prozent dafür, 48,59 dagegen. Die größten Städte und urbanen Ballungszentren stimmten mehrheitlich mit Nein. Istanbul, Ankara und Antalya. In Izmir lehnen 67,9 Prozent die Änderungen der Verfassung ab. Die ganze Westküste der Türkei stimmte mehrheitlich mit Nein. So auch im Südosten der Türkei. In den Regionen mit kurdischer Majorität scheinen die Menschen zu wissen, was ihnen unter einem noch ungezügelteren Präsidenten blüht. Erdoğan hatte schon kurz nach dem Sieg ankündigt, im Verbund mit der ultranationalistischen Milliyetçi Hareket Partisi (MHP), der Partei der Nationalistischen Bewegung, die Todesstrafe wieder einzuführen – per Referendum. Der Einsatz der türkischen Armee gegen kurdische Zivilisten wird einen eigenen Beitrag zum dortigen Wahlergebnis geleistet haben. Diyarbakır lehnte die Verfassungsänderung mit 67,6 Prozent ab, die Kurdengebiete stimmten mehrheitlich mit Nein. Trotzdem: eine knappe Mehrheit von 51,41 Prozent stimmte für eine Präsidialdiktatur, 48,59 stimmten dagegen. Diese Zahlen sind Generalisierungen und müssen viele Informationen ausblenden, um wenige Informationen zu generieren. Sie sind Resultat einer Reduktion von Komplexität. Wie nach jeder Wahl bewirkt die pedantische Fokussierung auf das numerische Resultat einen Verdunklungseffekt, denn man übersieht leicht die Rahmenbedingungen, unter denen das Zahlenverhältnis 51,41:48,59 zustande kommen konnte. Diese Rahmenbedingungen aber entscheiden darüber, ob eine Wahl das Adjektiv demokratisch für sich reklamieren kann oder nicht.