Die Documenta nach Trump

Politische Interventionen?

Die Sieger schreiben Geschichte. Diese Definition prägte die europäische Historie über Jahrhunderte. Doch durch diese problematische Einordnung wurde, historisch gesehen, gerade auch verschleiert, dass Geschichte zu allen Zeiten ein komplexeres Phänomen war, als dies in Narrativen von Helden und großen Siegen erfasst werden kann. Man könnte meinen, dass in Zeiten des Internets, der Realityshows, der Kommentarspalten, der politischen Kommissionen und anonymen Terrororganisationen historische Dynamik als von außergewöhnlichen Individuen entkoppeltes Phänomen erklärt wird. Dass dem oftmals nicht so ist, hängt interessanterweise auch mit der bildenden Kunst zusammen. „Die Documenta nach Trump“ weiterlesen

Wahlen sind für alle da

Wenn heute der neue Bundestag gewählt wird, dürfen über 20 Millionen Menschen in Deutschland nicht mitentscheiden, weil sie kein Wahlrecht haben – ein Skandal, der viel zu selten thematisiert wird.

Parlamentswahlen sollten die Sternstunde der Demokratie sein, Fixpunkt öffentlicher Deliberation und Vollzug politischer Selbstregierung. Bei der (heutigen) Bundestagswahl sind allerdings Zweifel angebracht. Nicht nur, dass den Wählerinnen und Wählern eine falsche Dichotomie zwischen konservativer Alternativlosigkeit und reaktionärer Zeitreise aufgedrängt wird. Nicht nur, dass die rein nationale Mitbestimmung unzureichend ist, um die globalisierten Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen. Nein, der Defekt der deutschen Demokratie (und nicht nur dieser) ist noch fundamentaler: Obwohl über 82 Millionen Menschen in Deutschland leben, verfügen nur 61,5 Millionen über das Wahlrecht. Mehr als 20 Millionen Menschen sind bei dieser weitreichenden Entscheidung über unsere politische Zukunft ausgeschlossen. Das ist ein Skandal, über den endlich gesprochen werden muss.

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Smells Like German Spirit. Again.

Volksgemeinschaft – diesen Gestank kann die AfD nicht verbergen. Er strömt ihr aus allen Poren. Sie kann sich drehen und winden, sie bekommt ihn nicht los. Warum? Weil der Gestank ihr Markenkern, ihre Identität und ihr Fetisch ist.

Republikanische Automaten. George Grosz. 1920.

Die AfD zu skandalisieren ist heute keine Kunst mehr, sondern gehört als Teil der Kulturindustrie zum alltäglichen Geschäft. Die AfD produziert so viel Hetze, dass es zwar Mühe macht, eine gute Story über ihre Menschenfeindlichkeit zu schreiben – sie im Detail zu finden, ist dagegen nicht schwer, weil die AfD die plurale, freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie jeden Tag beleidigt. Und da bad news kulturindustriell gewendet zu good news werden, ist die AfD ein Themengebiet indem Journalistinnen sich die Finger wund schreiben. Das Problem: die AfD ist mittlerweile so aktiv geworden, man kommt einfach nicht mehr hinterher. Internet, Fernsehen, auf Straßen und in Parlamenten. Überall werden abenteuerlichste menschenfeindliche Phrasen und Praktiken propagiert. Überall menschenverachtender weltanschaulicher Mief, der, schaut man in die Geschichte der Weltgesellschaft, schon immer irgendwie bestialisch gestunken hat, weil er bestialisch ist. Durch die serienmäßige Produktion dieses Gestanks, wird der Geruch zum Alltag und oft genug geht die stinkende Aura der AfD-Propaganda im Alltäglichen unter. Und das ist das größere Problem. Die Normalität.

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Wider die Eskalation

Charlotte Theile zeigt, dass es in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten weder ideologischer Aufrüstung noch Apokalyptik bedarf – sondern zuvorderst der Grundtugenden des Qualitätsjournalismus.

Die kritische Auseinandersetzung mit Populisten verführt dazu, es ihnen gleichzutun und auf Eskalation zu setzen. Gezielt gestreuten Provokationen folgt zuverlässig die Empörung, auf verbale Entgleisungen der moralische Aufschrei. Wenn Ethnopluralisten Kleinstaaterei und Kulturchauvinismus frönen, wird von ihren Gegnern unweigerlich das Pathos der universellen Menschenrechte bemüht. Zitieren sich Rechtskonservative schneidig durch die Œuvres von Ernst Jünger oder Oswald Spengler, parieren Linksprogressive umso leidenschaftlicher mit Michel Foucault oder Chantal Mouffe. Angesichts irritierender Vermischungen im rechten wie im linken Lager – neoliberale oder dieselfahrende Grüne, sozialdemokratische Putinversteher, Hipster-Identitäre, rhetorisch versierte Neonazis, etc. –, wirken die überkommenen, komfortablen Kampfbegriffe immer öfter hilflos. „Nazi!“ schleudern die einen dem Nationalkonservativen ins Gesicht; „Linksfaschistin!“ brüllen die anderen der Linksliberalen hinterher.

Wenn es Populisten gelingt, ihre Kritiker in eine Arena mit aufgepeitschter Stimmung zu locken, haben sie schon gewonnen. Was dann gesagt, wie dann argumentiert wird, spielt eine untergeordnete Rolle. Das Medium ist die Botschaft und der Ton macht die Musik, in diesem Fall: den Marsch.

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Die absolute Mehrheit, die Enttäuschung und die Gefahr der Straße – Warum Macron gleich zu Beginn scheitern könnte

Image by LeWeb via Flickr , CC-BY-2.0.

Was bisher geschah – der frische Wind

Zwei Wahlen, zwei Einträge in die Geschichtsbücher der Grande Nation. Erst die Präsidentschaftswahl am 23. April, dann die wichtigen Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni. Erst bebte bei den présidentielles die Erde unter den Füßen der Altparteien, dann kam es bei den législatives zu einem deutlichen Sieg von Macron. Die politische Landschaft wurde durcheinandergewirbelt, das Establishment auf den Kopf gestellt. Die Bürger haben die etablierten Parteien, die jahrelang kein Mittel gegen die steigende Arbeitslosigkeit finden konnten, abgestraft. Sie haben keine Lust mehr auf Skandale, die den Stolz der Grande Nation angreifen. Da war ein Präsident, der sich mit Motorroller heimlich zu seiner Affäre schleicht – Sixt freut sich, die Welt lacht. Da war ein aussichtsreicher Kandidat auf das politische Zepter Frankreichs, der seine Frau als Assistentin einstellt – der Steuerzahler zahlt, sie assistiert aber nicht. Peinlich. Beschämend. Es reicht. „Die absolute Mehrheit, die Enttäuschung und die Gefahr der Straße – Warum Macron gleich zu Beginn scheitern könnte“ weiterlesen

Die künstliche Intelligenz gefährdet die Demokratie – wem wir deshalb bei Facebook folgen sollten

Immer häufiger ist die Rede von künstlicher Intelligenz (KI). Aber nicht allen fällt es leicht, sich etwas darunter vorzustellen. Woran denkst Du bei dem Begriff? Denkst Du an selbstfahrende Autos, an einen menschenähnlichen Computerassistenten, oder denkst Du eher an eine bedrohliche Roboterarmee? Die öffentliche Wahrnehmung von KI wurde in den letzten Jahren vor allem geprägt von Kinofilmen wie Matrix, Ex Machina, A.I. oder I Robot. All diese Filme sind Dystopien, in denen ein Computerprogramm selbstständig wird und Menschen dominiert. Die Gefahr, die von KI ausgeht, wird deshalb meistens in einer fernen Zukunft verortet.

Die Gefahr ist jedoch schon jetzt gegenwärtig und alltäglich. Sie begegnet uns nicht als Roboterarmee, sondern im Internet, in Form selbstlernender Algorithmen. Diese Algorithmen bestimmen, was wir auf unseren Laptops, Tablets und Smartphones zu sehen bekommen: welche Treffer uns Google angezeigt, welche Werbung uns eingeblendet wird, welche Beiträge wir bei Facebook sehen. Die Algorithmen entscheiden ebenso darüber, was wir nicht sehen: welche Nachrichten und welche Posts uns verborgen bleiben, welche Freunde, Webseiten und YouTube-Videos uns nicht vorgeschlagen werden. „Die künstliche Intelligenz gefährdet die Demokratie – wem wir deshalb bei Facebook folgen sollten“ weiterlesen

Brexit: The UK hurt itself in Confusion

With a week left to go before the referendum, I thought I’d post my thoughts about it. Despite my reservations about having a referendum in the first place, when it was made for-certain that a referendum on our membership of the EU would happen I thought that it would be a chance for the UK to have a much-needed education about the EU. But this does not seem to be what is happening, and the Leave campaign does not want people to be educated about the EU. „Brexit: The UK hurt itself in Confusion“ weiterlesen

Zur rechten Zeit am rechten Ort – Die AfD im deutschen Parteiensystem (Teil 2)

Nachdem ich zuletzt die Alternative für Deutschland politisch verortet und als rechtspopulistisch eingestuft hatte, ist es jetzt an der Zeit, die Grundlagen ihres Erfolges zu erläutern und ihre zukünftigen Gewinnchancen auszuloten. Damals, als die Flüchtlingsfrage noch nicht das medienbeherrschende Thema war, hatte ich im Kontext ihrer Spaltung den Untergang der AfD prophezeit. Mittlerweile steht sie in Umfragen bei relativ stabilen sechs Prozent, zuletzt sogar bei acht Prozent. Habe ich mich also zu weit aus dem Fenster gelehnt? Bevor ich aber meine Vorhersage auf den Prüfstand stelle, möchte ich zunächst eine Erklärung für den Aufstieg der AfD anbieten.

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Der lange Weg nach Rechts: Die AfD im deutschen Parteiensystem (Teil 1)

Die AfD hat sich zurück in die öffentliche Diskussion gekämpft. Mit der Wahl der Landesvorsitzenden Sachsens Frauke Petry zur neuen Parteichefin und dem darauf folgenden Austritt zahlreicher Parteimitglieder, darunter Parteigründer und bisheriger Vorsitzender Bernd Lucke, ist die Partei wieder in die Schlagzeilen geraten. Der Parteitag der AfD am vergangenen Wochenende war mit Spannung erwartet worden und ist dadurch umso mehr zum Richtungsentscheid geworden. Der lange schwelende Streit zwischen Wirtschaftsliberalen und Wertkonservativen über die Ausrichtung der Partei scheint nun zugunsten Letzterer entschieden zu sein. Was bedeutet das aber für die politische Positionierung der AfD? Inwiefern ändert es die AfD? In diesem Artikel möchte ich einen kurzen Überblick über die Entwicklung der AfD im deutschen Parteiensystem geben, um in einem kommenden Artikel ihre bisherige Erfolgsgeschichte erklären und ihren künftigen Untergang prophezeien zu können.

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