Wenn die Welt von Marx für ihn aussah wie eine unglaubliche Ansammlung von Waren – diesen Dingern „voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken“ – wie würde sich Marx dann heute in der Welt zurechtfinden? Das „Informationszeitalter“ hat gelernt, eine ganz eigene Produktionsweise von Waren in Form von Meinungsofferten zu entwickeln, die sich augenscheinlich sehr differenziert hat. Diese Waren werden nicht mehr primär auf ökonomischen Märkten gehandelt, sondern auf hoch frequentierten und hoch frequenten Märkten für Öffentlichkeiten. Meinungen, Neuigkeiten, Nachrichten kursieren als Produkte dieser Märkte und werden bewertet und konsumiert. Auch hier, ganz wie auf den ökonomischen Märkten, herrscht Überfülle: ein riesiges Spektrum an Meinungsbedürfnissen kann/könnte befriedigt werden. Die Medienlandschaft will und muss sich, um das leisten zu können, organisieren – gesellschaftlich und eben nicht persönlich organisieren wie manche „Lügenpresse!“-Schreihälse es sich scheinbar nur vorstellen können. Es gibt keine Leitinstanz, kein Kartell, keine Oberhoheit, das die Medien steuern oder auch nur überblicken könnte. Massenmedien steuern sich selbstreferenziell. Und dies ist eine unglaublich unwahrscheinliche und bewahrenswerte Kostbarkeit.
Erlogene Wahrheiten und wahre Lügen. Verschwörungstheoristen und die Realität der Massenmedien
Warum Realität fluider wird, Verschwörungsphantasien ein regressiver Reflex auf moderne Massenmedien sein könnten und kritische Vernunft erkenntnisfördernd wirkt.