How to Ride Your Hobby

Gerade in Zeiten des Übergangs, der unzähligen Job- und Stipendienbewerbungen, ist man darauf angewiesen, seine Selbstdarstellung in Lebensläufen und Motivationsschreiben zu perfektionieren. Die präzise, leserfreundliche, konkrete, ehrliche, nicht triviale, bildhafte Beschreibung des eigenen Tuns und Könnens soll, wenn nicht gleich eine Anstellung, dann zumindest die Einladung zum Vorstellungsgespräch sichern. Doch wie sich beim Ausfüllen von Standardformularen und Erstellen persönlicher Accounts bald herausstellt, reicht es noch lange nicht aus, bisherige Erfolge, Auslandsaufenthalte, Praktika, Fremdsprachen- und Softwarekenntnisse anzugeben. Viele Arbeit- und Stipendiengeber interessieren sich auch für die Freizeitinteressen oder die sogenannten Hobbys ihrer potentiellen Neuangestellten. Geht man dem Grund dieses Interesses nach und liest die Erklärungen von Ratgebern und Foren dazu, wird einem die pragmatische Erklärung gegeben, dass solche Informationen sich zu einem sowohl für Bewerber als auch für Interviewenden entspannenden, einstimmenden Gesprächsthema umfunktionieren lassen.

Die Fragen zu Interessen und Hobbys können also einerseits das wichtige und potentiell folgenreiche Gespräch als eine freundliche und harmonische Konversation maskieren. Andererseits sollen die Angaben dazu der Bewerbung und der Person dahinter einen „edge“ geben, sie konturieren und aus der Masse hervorheben. Sie sollen und können aber auch Schlüsselqualitäten des Bewerbers „subtil“ attestieren: Die Vorliebe für Extremsportarten kann z. B. für Risikobereitschaft und besonders hohe Belastbarkeit zeugen; Kochen, Malen oder Photographie zeigen Kreativität an. Trotzdem soll man seine Hobbys ehrlich beschreiben, nicht zu wenige und nicht zu viele Hobbys nennen, seiner wahren Leidenschaft Ausdruck geben, gleichzeitig aber die Interessen an die Bewerbung anpassen.

Die Vielzahl und die partielle Widersprüchlichkeit der Experten-Hinweise und ein fast gespenstischer Drang zur Hobbyhingabe rufen verzweifelte Forenbeiträge ins Leben: „Ich bin HOBBYLOS! Helft mir! Was kann ich in meiner Freizeit machen? 🙁 Danke!“ oder „Ich brauch für meinen Lebenslauf „gute“ hobbys und interessen.“ „Hobbylos“ zu sein, wirkt selbst in der schieren Wortbildung als Abweichung von der Normalität. Als würde ein schwarzes, hohles Loch dort gähnen, wo bei einer Mehrheit lebenswichtige Organe makellos funktionieren. Dabei ist Hobby auf keinen Fall mit Freizeit gleichzusetzen: Dafür sprechen etwa Hinweise auf Bewerbungsformularen, dass lakonische Angaben wie „in die Oper gehen“ oder „Yoga“ als Hobby, Engagement oder Interesse nicht genügen. Also erwartet man von den HobbyistInnen (so heißt es tatsächlich) nicht nur eine hingebungsvolle Leidenschaft, sondern auch Reflexion darüber und eine entsprechend wortreiche Darstellung. Wie unterscheidet man also „einfache“ Freizeitbeschäftigungen von Hobbys, Freizeit von Arbeit? Wie definiert Freizeit unsere Identität? Wovon ist die Freizeit frei und warum soll man sie überhaupt mit Steckenpferden ausfüllen?


Meinen Galopp durch den Sinn und Zweck des Hobbys in vergangenen und bevorstehenden Zeiten werde ich trivialerweise mit einer etymologischen Bemerkung anfangen müssen: Das Wort „Hobby“ kommt aus dem alt-englischen hobyn, was im 13. Jahrhundert soviel wie kleines Pferd, Pony bedeutete. Im 16. Jahrhundert bezeichnete das Wort auch das Steckenpferd als Kinderspielzeug. Ein Jahrhundert später erlangte die Wendung hobby-horse auch die übertragene Bedeutung von „Lieblingsfreizeitbeschäftigung“. Erst im 19. Jahrhundert tauchte hobby als die abgekürzte Bezeichnung solcher Beschäftigungen auf. Die sprachhistorisch spannende Verbindung zwischen einem hölzernen Pferdimitat und dem Freizeitvertreib gibt der Lieblingsbeschäftigung eine aus heutiger Perspektive unverständlich gewordene Konnotation: So wie das Steckenpferd nirgendswo hingehen und nichts transportieren kann, was ihn von seinem als Nutztier in einer Welt vor dem Dieselmotor und der Dampfmaschine unersetzlichen Vorbild unterscheidet, ist das Hobby verspielt, unernst und außerhalb von sich selbst ziel- und sinnlos, im Gegensatz zu seinem „echten“ Pendant, der Arbeit.

Porträt des Infanten Don Diego aus Spanien mit seinem edlen Steckenpferd (Alonso Sánchez Coellos, 1532-1588)

Also impliziert bereits die semantische Vorgeschichte des Wortes Hobby, dass es als Beschäftigung eine Nachahmung ist, ein Spiel und kein Ernst. Das Hobby ist eine Leidenschaft, eine Beschäftigung, die, genauso wie das Steckenpferd, nirgendswo hingeht, letztlich eine Simulation des Arbeitslebens ist. Aus dieser tastenden und deskriptiven Definition des Hobbys entsteht für mich der beunruhigende Gegensatz, der sich im Konzept der durch Interessen ausgefüllten Freizeit listig versteckt. Warum soll man das ernsthafte Arbeitsleben selbst in der davon frei gestellten Zeit simulieren? Sind acht Stunden nicht genug? Reicht die menschliche Phantasie nicht aus, um in der restlichen Zeit in einen anderen Denk- und Verhaltensmodus zu schlüpfen?

Freizeit war bis zur Industrialisierung und der danach erfolgten, zunächst nur relativen Regulierung des Arbeitstages ein Privileg für die höheren Schichten der Gesellschaft: zuerst für den Adel, dann für das Groß- und Kleinbürgertum, bis sie schließlich auch den Arbeiter erreichte. Dabei zog die Freizeit ungewöhnlichste Phänomene mit sich, darunter Zeitwahrnehmungsmodi wie „Langeweile“ und „Kurzweil“ und diverse Auffüllungsversuche dieser freien, leeren Zeit: Liebhaberbühnen, Lesegruppen, Wandervereine, etc. Und während die kleinadeligen oder großbürgerlichen Damen im 18. und 19. Jahrhundert sich ganztägig in Fremdsprachen, Weltliteratur, Gesang und Brodieren perfektionierten, um eine möglichst gute Partie heiraten zu können, gingen die Männer politischen oder wissenschaftlichen Interessen nach, wodurch sie wiederum ihre Kredibilität in Geschäftskreisen erhöhten. Genauso wie für die kleine wohlhabende Elite die Zeit zum Zeitvertrieb durch Arbeitskräfte gesichert wurde, die sich um Haushalt, Kinder, Land und Tiere kümmerten, gab es für die spätere Popularisierung und allgemeine Verbreitung der freien Zeit auch einen konkreten Grund: die Regulierung der Arbeitszeit. Doch diese wurde im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auf eine doppelte Art und Weise reguliert bzw. reduziert: einerseits erkämpften 1918 die Arbeiter durch landesweite Proteste und Streiks eine gesetzliche Festlegung des Achtstundentags (in den USA erst 1938), andererseits verloren mehrere hunderttausende Arbeiter während der Weltwirtschaftskrise ihre Beschäftigung. Die steigende Arbeitslosigkeit stellte die Frage nach der Freizeit endlich auch für die Arbeiter und vor allem für den Staat, der die großen Gruppen von nicht beschäftigten Männern kontrollieren wollte. Die Wirtschaftskrise verlieh dem Thema der Freizeit die Brisanz und Dringlichkeit, die sich seit dem Anfang des Jahrhunderts anbahnten. Denn die immer länger werdende Freizeit barg die angebliche Gefahr in sich, ihre Besitzer zu unmoralischen, illegalen und insgesamt destruktiven Aktivitäten hinzureißen.

So wurde im Amerika der späten 20er und 30er Jahre gerade das Hobby, das bereits in den 10er Jahren in christlichen Blättern als Ablenkung von bösen Gedanken, als Verbesserung von Körper, Geist und Seele beschrieben wurde, von Zeitungen und Ratgebern als „a job you can’t lose“ gepriesen, so z. B. in Archibald Rutledges Artikel in American Magazine von 1933. (Für einen sehr informativen Überblick über die Funktion von Hobbys in den USA während der Weltwirtschaftskrise siehe Steven M. Gelbers Aufsatz A Job You Can’t Lose. Work and Hobbies in the Great Depression.) Denn dies sei das Einzige, was das Hobby von der Arbeit unterscheidet: Man übt es mit solcher Leidenschaft, solchem Engagement aus, investiert Energie und Zeit und verfolgt immer höhere Ziele innerhalb dieser Beschäftigung, genauso wie idealerweise im Arbeitsleben – die Beschreibung des Arbeitslebens dürfte für Arbeiter anders ausfallen als für Geschäftsmänner –, man wird dafür jedoch nicht bezahlt, dazu nicht gezwungen und ist durch eine potentielle Entlassung nicht bedroht.

Gerade die Ähnlichkeit zur Arbeit, die das Hobby über alle anderen Freizeitbeschäftigungen erhebt, sie als unseriös erscheinen lässt und vor allem in Bewerbungen besonderes Engagement und eine facettenreiche Persönlichkeit verspricht, sollte seit der Popularisierung des Konzepts „Hobby“ allen Arbeitslosen (entlassenen Arbeitern, Rentnern, Kindern und erst später Frauen) ein gesellschaftlich akzeptiertes Refugium bieten. Dass das Hobby eine Simulation von Arbeit ist, zeugt nicht nur für das Ausmaß, in dem sich Menschen gerade in den Anfängen des 20. Jahrhunderts über ihre Arbeit definierten. Das Hobby bzw. die verschiedenen Gruppen, die dieses zusammen wählen und „reiten“ sollten (wie es im Englischen noch immer manchmal heißt) und die ideell und finanziell durch den Staat und die Industrie gefördert wurden, exemplifizieren darüber hinaus den Versuch, alle sozialen Gruppen auf das Arbeitsleben vorzubereiten, daran besser anzupassen oder einen Ersatz dafür zu bieten. Zeichnen, Sammeln, Töpfern, Nähen, Basteln, Fremdsprachenlernen oder Turnen sollen einen fit fürs Leben machen, sie sollen, ausgeübt als Hobby – also reflektiert und zielgerichtet – eine ununterbrochene Selbstverbesserung, unerschöpfliche Bereicherung und lebenslanges Lernen ermöglichen.

Das lebenslange Lernen durch das Hobby hat hier wiederum zwei Seiten – es ist meistens eine einsame Beschäftigung, doch gerade sie soll in den 30ern die aus dem Arbeitssystem Herausgefallenen wieder auffangen, sie nicht asozial werden lassen. Bereits bei den ersten Tendenzen einer Verkürzung des Arbeitstages intensivierte sich die Diskussion um Freizeit und Hobby auch in pädagogischen Kreisen: Ein gut gewähltes Hobby sollte nicht nur die Leistungen des Schülers steigern, ihn konzentrierter und begeisterungsfähiger machen, sondern ihn auch von kontraproduktiven Tätigkeiten, von der Gewalt der Straße fernhalten. Also hatte das Hobby in den Augen von Beamten, Politikern, Geistlichen und Pädagogen eine erziehende, ja disziplinierende Funktion. Die große Bedeutung, die ihm dadurch nicht nur in der industriellen Welt vor dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch in den darauf folgenden sozialistischen Regimen beigemessen wurde, übersteigerte den persönlichen Nutzen jedes Hobbyisten und führte zu viel spezifischeren Fragestellungen: Soll das Hobby dem Beruf ähnlich sein oder diagonal entgegengesetzt? Ist das zum Beruf gewordene Hobby ein erfüllter Traum oder eine katastrophale Einschränkung des Selbst? Darf man mit seinem Hobby Geld verdienen? Was sind die besten Hobbys für die Jugend?

Das Hobby wurde außerdem von Hobbybefürwortern zu einer demokratischen, Klassen- und Hintergrunddifferenzen einebnenden Tätigkeit verklärt, die den Sammler von teuren Autos mit dem Sammler von Milchflaschendeckeln verbrüdert. Liest man Zeitungsartikel zu Hobby und Freizeitbeschäftigung aus der Zeit, merkt man schnell, dass der utilisierten Freizeit beinahe magische Eigenschaften zugesprochen werden. Die Harmonisierung, Verbesserung und Bereicherung der Persönlichkeit und der durch Ungleichheit zerrissenen Gesellschaft war ein großes und schönes Versprechen, doch stellte sich bald heraus, dass auch Hobbys schädlich sein können: Sie können sich zu Manie und Sucht entwickeln und verschwenderische Geldausgaben zur Folge haben. Sie können das Arbeitsleben, das sie im perfekten Fall ausgleichend begleiten sollten, ersetzen, Familie und soziale Kontakte ruinieren.

Die Geschichte der staatlichen Förderung und pädagogischen Theoretisierung von Hobbys erklärt auch gängige urban legends und sexistische Vorurteile, wie z. B. die vor allem in Foren sehr häufig geäußerte Meinung, dass Frauen keine Hobbys haben und überhaupt interessenlos sind. Die frustrierend einseitigen und vorurteilsbehafteten Fragen auf diversen Internetseiten scheinen ein früheres Muster zu wiederholen. Erstens beschreiben sie Tätigkeiten als nicht ernsthaft genug oder oberflächlich und führen eine Trennung zwischen „guten“ und „schlechten“ Freizeitbeschäftigungen durch, die gerade im Kern der Hobbypopularisierung lag. Zweitens aber zeugen sie für ein immer noch bestehendes Gesellschafts- und Familienmuster: Bereits in den 20er und 30er Jahren richtete sich die mediale Begeisterung für Hobbys grundsätzlich an den arbeitenden oder entlassenen Mann, der einen Ausgleich und Entspannung zum Arbeitsleben oder eben einen Ersatz brauche. Die Haushaltsarbeit, die Frauen ganztägig verrichteten, galt nicht als etwas, von der sie Auszeit für Entspannendes und Kreatives brauchten, nicht als Arbeit, sondern als biologische, instinktiv zu verrichtende Pflicht. Dass Männer jeden Alters und ihre wachsende Freizeit durch Hobbys gebändigt werden sollten, lag aber auch an der weiterhin gängigen Vorstellung vom Mann als gewalttätigem Tier, das in jeder freien Sekunde auf böse Gedanken kommt: demolieren, rauben, morden oder vergewaltigen. Frauen dagegen als zärtliche Lämmchen, die in der Küche walten und sich um die Kinder kümmern, sind schon als Kinder zahm, sitzen eh nur herum, haben vor allem und jedem Angst, und wenn sie schon auf die Idee kommen, neben dem Haushalt etwas anderes zu machen, dann können sie ein paar Kissenbezüge durch Strickereien verzieren oder ein paar Muster in die Wintersocken stricken.

Es ist schade und verwerflich, dass Haushaltsarbeit und Kindererziehung in den Köpfen so vieler immer noch eine Frauendomäne sind. Aber anstatt dass das Hobby gerade hier eine befreiende und emanzipierende Rolle übernimmt, weil alle Recht auf Freizeit und Hobbys haben, wird es zur Waffe der weiteren Diskriminierung. Die gilt nicht nur Frauen, sondern generell „Hobbylosen“, die langweilig, ohne Persönlichkeit, einseitig und unterkomplex seien. Doch meistens geht es entweder um Darstellungsdifferenzen (ich kann mich für Spielwürfel aus dem Mittelalter interessieren, aber muss nicht die ganze Zeit darüber reden oder damit unbedingt in die Öffentlichkeit treten) oder um eine herablassende Reduzierung der Freizeit des Anderen zu nutzloser Zeit- und Potenzialverschwendung. „Shoppen“, „Kosmetik“, „Gossip“, um einige der am häufigsten angeführten Pseudo-Frauen-Nicht-Hobbys zu nennen, können nur Menschen herabstufen, die keine Ahnung haben, wie viel Wissen diese erfordern.

Doch gerade das Bedürfnis, jede Beschäftigung, die man in der Freizeit ausübt, als eine Wissenschaft präsentieren zu wollen, wirkt als Ausrede und ist Teil meiner Faszination mit den Themen Hobby und Freizeit. Fernsehen schauen, Telefonieren, Ausschlafen, Gedanken nachgehen, über wichtige Dinge reden sind laut einer Statistik die häufigsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen im Jahr 2013. Diese werden allesamt nicht als Hobbys gelten, da das Konzept Hobby die Trennung zwischen nützlich und nutzlos, gut und schlecht impliziert.

Stattdessen unterliegen die Menschen bei Bewerbungen aller Art und sogar auf Partnerbörsen dem Zwang der Hobbyhochstaplerei und -übertreibung, um nicht als langweilig abgestempelt zu werden. Hobby mag ein veraltetes Wort und eine anachronistische Idee sein, doch dasselbe Konzept, die Freizeit zu utilisieren, zu einer Fellow-Hobbyisten-Gemeinde zu gehören und den Lebenslauf dadurch zu perfektionieren, kommt in Ausdrücken wie „soziales Engagement“, „Freizeitbeschäftigungen“, „außerfachliche Interessen“ kaschiert zurück. Letztlich sollte das Hobby, so das Duden-Fremdwörterbuch, eine Beschäftigung sein, „der man aus Freude an der Sache in seiner Freizeit nachgeht“ und keine zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit, die dem Ziel der festen Anstellung folgt. Doch auch der Duden kann sich das Paradox des Steckenpferdes nicht verkneifen und muss in Klammern hinzufügen „(u. zum Ausgleich für die Berufs- oder Tagesarbeit)“. Also kein Hobby ohne Arbeit, ohne Arbeit kein Hobby und keine freie Zeit in der Freizeit.

Dazu kann ich nur sagen: Guckt xKarenina, schlaft aus, telefoniert maßlos und redet über wichtige oder unwichtige Dinge! Schämt euch nicht, dies bei der nächsten Bewerbung auch anzugeben! Denn wer Blogeinträge über Politik oder unsere Zeit schreibt, Panzerexperte ist oder sich die fünfte Fremdsprache aneignet, ist nicht besser.

Ein Gedanke zu „How to Ride Your Hobby“

  1. Vielen Dank für diesen Galopp durch die Themenlandschaft Hobby, liebe Dariya! Zumindest mir hat er besonders in der Kopplung von Hobby und „Arbeit“, vermutlich im Sinne lohnorientierten Laborierens, einige Perspektiven eröffnet. Kommentieren möchte ich allerdings nur die Wendung am Ende: Dass dort der quasi-kommerzielle Youtube Kanal von xKarenina plötzlich als positives Beispiel eines Hobbies oder einer „Freizeit“-Gestaltung (anscheinend gleichermaßen auf Seiten der Produzentin als auch auf der der Zuschauer?) auftaucht, nachdem du in deinem Aufsatz die Angeberei mit Hobbies in Lebensläufen, oder generell das Präsentieren jeder Tätigkeit als „Wissenschaft“, kritisiert hast, überraschte mich. Die abschließende Nivellierung aller Tätigkeiten zu einem unterschiedslosen Feld unendlicher Optionen, die ja alle soviel „Wissen“ erfordern, fand ich gerade auch im Kontext meines ersten Monitums nicht überzeugend.
    Meine Fragen dazu sind diese: Ist xKarenina positiv nur als Gegenbild gegen „angeberische“, männliche Hobbies, oder beweist ihr Kanal vor allem wieviel „Wissen“ die Beschäftigung mit Makeupprodukten involviert (entschuldige meine sicher ungenaue Terminologie), um damit ihrem Hobby eine Würde zu verleihen, die dieses Wort anscheinend für manche in sich trägt? Würdest du damit nicht genau der Logik Tribut zollen, die du an anderer Stelle kritisierst, nämlich das alles eine „Wissenschaft“ sein soll?
    Was die Gleichwertigkeit aller Tätigkeiten anbetrifft, will ich noch kurz etwas sagen, das mich vollends als altbackenen Idealisten entlarvt. Ich stimme dir durchaus zu, dass viele unterschiedliche Gegenstände und Hobbies das Potential zur Selbstentwicklung und -erkenntnis haben, ob nun telephonieren oder Panzer ausspähen. ich glaube aber, dass das nur sekundär mit einem Hobby, in dem von dir entworfenen Sinn zu tun hat. Für mich wirkt es so, als hätte dieser Hobby-Begriff noch einen Überrest des „Otium“ der eher humanistischen, also angestaubten idealistischen Gedankenwelt usurpiert und sich dann mit der reinkapitalistischen Erholung von der Lohnarbeit verschwägert. Wenn das so wäre, könnte man vielleicht sagen, dass der philosophische Aspekt solcher Tätigkeiten weniger in einem Nicht-Bezug zur „Arbeit“ (der natürlich ein konkreter Bezug ist) besteht, sondern mehr die produktive Verwirklichung einer Freiheit des Menschen meint. Die Frage wäre dann nicht, ob das eine Hobby besser ist als das andere (also der von dir so kritisierte Repräsentationsaspekt), sondern wie sehr die Praktizierende „sich selbst“ (was auch immer nebulöses das heißen mag) darin findet und „verwirklichkeit“ (gefällt mir irgendwie, dieses Wort).
    Ich weiß, ich weiß, vermutlich sind diese hippiesken Gedanken genau das, worauf dein Artikel zielt und hätte ich ihn genauer gelesen, wäre dieser Kommentar überflüssig gewesen. Mir aber hat er geholfen, meine eigenen Gedanken etwas zu klären. Danke noch einmal für deinen schönen Aufsatz!

Schreibe einen Kommentar