Wie wir unsere Gesellschaft spalten
Von Martin Schulz ist in diesen Tagen viel die Rede. Das mag daran liegen, dass er ein profilierter Europapolitiker ist und Europa in einer tiefen und anhaltenden Krise steckt. Noch mehr liegt es aber wohl daran, dass er als möglicher Kanzlerkandidat der SPD gilt. Nun sind Personalfragen in der Politik für die Medien spannender als jeder Inhalt und man kann tagelang über das Für und Wider von Personen für bestimmte öffentliche Ämter debattieren, was absolut legitim ist. Was aber in den vergangenen Tagen von zwei prominenten Journalisten über die Personalie Schulz geschrieben wurde, zeigt auf besonders eindringliche und auch erschreckende Art und Weise ein Kernproblem unserer Zeit auf, das mit dem grassierenden Populismus in unmittelbarem Zusammenhang steht. Martin Schulz, der seit 22 Jahren im Europaparlament sitzt, der als Parlamentspräsident diese Institution in nie dagewesener Weise politisch gestärkt hat, der Bürgermeister war, der seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle innerhalb der deutschen Sozialdemokratie spielt – diesem erfahrenen und natürlich nicht unumstrittenen Politiker wird die Fähigkeit zur Kanzlerschaft abgesprochen mit der Begründung, er verfüge weder über ein Abitur noch über einen Hochschulabschluss.
Man kann einem Politiker und einem Menschen aus vielerlei Gründen die Befähigung für politische Ämter absprechen, ihn als ungeeignet betrachten oder ihn schlichtweg unsympathisch finden und entsprechend mit ihm und über ihn streiten. Aber als Begründung allen Ernstes den formalen Bildungsabschluss zu nennen, ist eine Arroganz, aufgrund derer man sich in diesen Tagen nicht über das vielzitierte Elitenbashing wundern muss. Wenn sich immer mehr Menschen offen gegen das System, gegen Parteien und Politiker oder gegen unsere Wirtschaftsordnung stellen, dann reicht es nicht, diese Menschen als dumm oder durchweg antidemokratisch und rassistisch zu bezeichnen. Zum einen verstärkt man diese Menschen damit in ihrer Haltung. Zum anderen gilt es die Haltung dieser Menschen zu verstehen, um sie letzten Endes wieder von unserer freiheitlichen, offenen und demokratischen Gesellschaft zu überzeugen. „Kann man dem Populismus den Nährboden entziehen? Ja, mit Demut, Respekt und einem Perspektivwechsel“ weiterlesen