Die absolute Mehrheit, die Enttäuschung und die Gefahr der Straße – Warum Macron gleich zu Beginn scheitern könnte

Image by LeWeb via Flickr , CC-BY-2.0.

Was bisher geschah – der frische Wind

Zwei Wahlen, zwei Einträge in die Geschichtsbücher der Grande Nation. Erst die Präsidentschaftswahl am 23. April, dann die wichtigen Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni. Erst bebte bei den présidentielles die Erde unter den Füßen der Altparteien, dann kam es bei den législatives zu einem deutlichen Sieg von Macron. Die politische Landschaft wurde durcheinandergewirbelt, das Establishment auf den Kopf gestellt. Die Bürger haben die etablierten Parteien, die jahrelang kein Mittel gegen die steigende Arbeitslosigkeit finden konnten, abgestraft. Sie haben keine Lust mehr auf Skandale, die den Stolz der Grande Nation angreifen. Da war ein Präsident, der sich mit Motorroller heimlich zu seiner Affäre schleicht – Sixt freut sich, die Welt lacht. Da war ein aussichtsreicher Kandidat auf das politische Zepter Frankreichs, der seine Frau als Assistentin einstellt – der Steuerzahler zahlt, sie assistiert aber nicht. Peinlich. Beschämend. Es reicht. „Die absolute Mehrheit, die Enttäuschung und die Gefahr der Straße – Warum Macron gleich zu Beginn scheitern könnte“ weiterlesen

Kann man dem Populismus den Nährboden entziehen? Ja, mit Demut, Respekt und einem Perspektivwechsel

Wie wir unsere Gesellschaft spalten

Von Martin Schulz ist in diesen Tagen viel die Rede. Das mag daran liegen, dass er ein profilierter Europapolitiker ist und Europa in einer tiefen und anhaltenden Krise steckt. Noch mehr liegt es aber wohl daran, dass er als möglicher Kanzlerkandidat der SPD gilt. Nun sind Personalfragen in der Politik für die Medien spannender als jeder Inhalt und man kann tagelang über das Für und Wider von Personen für bestimmte öffentliche Ämter debattieren, was absolut legitim ist. Was aber in den vergangenen Tagen von zwei prominenten Journalisten über die Personalie Schulz geschrieben wurde, zeigt auf besonders eindringliche und auch erschreckende Art und Weise ein Kernproblem unserer Zeit auf, das mit dem grassierenden Populismus in unmittelbarem Zusammenhang steht. Martin Schulz, der seit 22 Jahren im Europaparlament sitzt, der als Parlamentspräsident diese Institution in nie dagewesener Weise politisch gestärkt hat, der Bürgermeister war, der seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle innerhalb der deutschen Sozialdemokratie spielt – diesem erfahrenen und natürlich nicht unumstrittenen Politiker wird die Fähigkeit zur Kanzlerschaft abgesprochen mit der Begründung, er verfüge weder über ein Abitur noch über einen Hochschulabschluss.

Wer es nötig hat, sich aufgrund formaler Bildung zu definieren, der zeigt den Unterschied zwischen Bildung, Intelligenz und Anstand. Foto von Glen Noble auf Unsplash.

Man kann einem Politiker und einem Menschen aus vielerlei Gründen die Befähigung für politische Ämter absprechen, ihn als ungeeignet betrachten oder ihn schlichtweg unsympathisch finden und entsprechend mit ihm und über ihn streiten. Aber als Begründung allen Ernstes den formalen Bildungsabschluss zu nennen, ist eine Arroganz, aufgrund derer man sich in diesen Tagen nicht über das vielzitierte Elitenbashing wundern muss. Wenn sich immer mehr Menschen offen gegen das System, gegen Parteien und Politiker oder gegen unsere Wirtschaftsordnung stellen, dann reicht es nicht, diese Menschen als dumm oder durchweg antidemokratisch und rassistisch zu bezeichnen. Zum einen verstärkt man diese Menschen damit in ihrer Haltung. Zum anderen gilt es die Haltung dieser Menschen zu verstehen, um sie letzten Endes wieder von unserer freiheitlichen, offenen und demokratischen Gesellschaft zu überzeugen. „Kann man dem Populismus den Nährboden entziehen? Ja, mit Demut, Respekt und einem Perspektivwechsel“ weiterlesen

Warum Wählen Pflicht ist

Je weniger Du Dich für Politik interessierst, desto mehr bist Du dazu verpflichtet, wählen zu gehen. Ein Gedankenexperiment frei nach dem „Herrn der Fliegen“.

In letzter Zeit bin ich öfter mal angeeckt. Ich bin der Meinung, dass jede/r einzelne die Pflicht hat, wählen zu gehen. Und um das tun zu können, muss jeder mindestens einmal die Woche die Nachrichten schauen. Das hat viele Leute auf die Palme gebracht: Das könnte ich doch nicht von jedem verlangen. Es gäbe einfach Menschen, die sich nicht für Politik interessieren und lieber in ihrem eigenen kleinen Kosmos leben wollen. Doch gerade diese Menschen müssen wählen gehen! Politikverdrossenheit als Verpflichtung? Ganz genau. Doch fangen wir vorne an. „Warum Wählen Pflicht ist“ weiterlesen

Mahnwache für den Seelenfrieden

2014 war nicht das friedlichste aller Jahre. Die Konflikte in Syrien, im Irak, in der Ukraine, in Palästina und in zahlreichen anderen Ländern haben Zehntausende Leben gefordert und Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Die Vereinten Nationen sprechen von der größten Flüchtlingskatastrophe seit 1945. 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten und 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs haben die Menschen immer noch nicht aufgehört, sich gegenseitig umzubringen. Man könnte meinen, 2014 sei kein gutes Jahr für den Frieden gewesen – wären da nicht die Mahnwachen für den Frieden.

Die Mahnwachen für den Frieden, auch bekannt als neue Montagsdemonstrationen, wurden im März 2014 zunächst als Protest gegen das Verhalten Deutschlands, der EU, der USA und der „Mainstreammedien“ im Ukrainekonflikt ins Leben gerufen, entwickelten sich aber rasch zu einem Sammelbecken für „Systemkritik“ jeglicher Art und Aktivisten verschiedenster Couleur. Sie stellen sich – wie es sich für moderne „besorgte Bürger“ wie auch PEGIDA, DÜGIDA, BAGIDA, OGIDA, PEGADA und demnächst sicherlich FRIGIDA und WÜRGIDA gehört – in die Tradition der Montagsdemos von 1989/90 und damit der Bürgerrechtsbewegung, die am Sturz des DDR-Regimes einen wesentlichen Anteil hatte. Die Friedensmahnwachen haben ihren Ursprung in Berlin, breiteten sich aber von dort auf die ganze Republik aus. Auch in Bielefeld haben sich Friedensfreunde zusammengefunden und die Friedensmahnwache Bielefeld 2014 ins Leben gerufen, die bis zum Winter einmal wöchentlich auf dem Kesselbrink tagte. Der Bielefelder Ableger fand zwar immer mittwochs statt, war aber davon abgesehen eine echte Montagsdemo.

Da ich natürlich für den Frieden bin, habe ich die Bielefelder Mahnwache für Frieden und Gerechtigkeit (so der alternative Name) im Sommer einige Male besucht, mich mit Aktivisten unterhalten und das ausgelegte Informationsmaterial studiert. So bekam ich einen Einblick in die Weltbilder dieser Friedensbewegten. Da die Veranstaltung offen gestaltet war und jede_r mal das Mikrofon in die Hand nehmen konnte, waren die Ansichten der Teilnehmer keinesfalls homogen – einig waren sie sich allerdings darin, dass ihre Weltdeutung eine alternative ist.

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Stell dir vor, es sind Wahlen – und keiner geht hin

Heute sind Bundestagswahlen und im Endspurt des Wahlkampfes scheint doch noch Spannung aufgekommen zu sein. Bei gleich drei Parteien (FDP, AfD, Piraten) geht es um die Frage, ob sie den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schaffen, bei den anderen Parteien ist ebenfalls vieles offen. Die SPD, die ihre Beliebtheit in den letzten Wochen etwas stabilisieren und steigern konnte, hofft noch auf ein Überraschungsergebnis über 30 Prozent. Bei den Grünen hingegen, die lange Zeit Umfragewerte von über 15 Prozent erreichten, läuft der Trend andersherum. Sie müssen befürchten, ihr Wahlergebnis von 2009 (10,7 Prozent) zu unterbieten. Die Linken und die CDU blicken dagegen relativ entspannt auf den Wahlausgang. Während die Linke sich auf vier weitere Jahre in der Opposition vorbereitet, darf die CDU hoffen, weiterhin als stärkste Partei an der Regierung zu bleiben. Offen ist aber die Frage, mit wem die CDU koalieren kann. Bei einigen konnte das Interesse für die Wahl am Ende des über weite Strecken eher langweiligen Wahlkampfes deshalb doch noch geweckt werden. Mit Spannung erwarten Beobachter daher die Wahlbeteiligung, die 2009 auf den historischen Tiefstand von 70,8 Prozent gesunken war. Selbst wenn der Trend einer seit 1998 sinkenden Wahlbeteiligung heute gestoppt werden sollte, dürften die Nichtwähler weiterhin einen großen Anteil der Wahlberechtigten ausmachen.

Was bedeutet es aber für Politik und Demokratie in Deutschland, wenn sich ein bedeutender Anteil der Bürger für das Nichtwählen entscheidet? Manche sehen im Nichtwählen eine „Verletzung der Bürgerpflicht“, andere halten es für eine Form des Protests. Dem liegt jeweils die Vorstellung zugrunde, dass eine hohe Wahlbeteiligung Indikator für eine stabile Demokratie ist und niedrige Wahlbeteiligung Unzufriedenheit mit dem System signalisiert. Doch ist das wirklich der Fall?

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Für echte Demokratie – sie enthält Elektrolyte!

Im Film Idiocracy von Mike Judge erwachen der Armee-Bibliothekar Joe Bauer und die Prostituierte Rita im Jahr 2505 aus einem Kälteschlafexperiment, in dem sie 500 Jahre konserviert wurden, weil das Projekt so geheim war, dass es vergessen wurde. Die Welt, in der sie erwachen, ist freilich eine andere als 2005: Aufgrund der karrierebedingten Kinderlosigkeit der gebildeten Schichten und der unkontrollierten Reproduktion der ungebildeten Schichten ist es zu einer himmelschreienden Verblödung der Gesellschaft gekommen. Und so bewegen sich die beiden durch eine Welt, in der ein ehemaliger Wrestling-, Rap- und Pornostar Präsident der USA ist und sich nur durch herumballern mit einem Sturmgewehr Ruhe für seine „Reden“ verschaffen kann. Eine Gesellschaft, in der grundlegende Infrastrukturen wie die Müllabfuhr und essenzielles Menschheitswissen wie die Tatsache, dass sich klares Wasser besser zur Bewässerung eignet, als ein Isodrink, verloren gegangen sind. Die verblödete Menschheit glaubt stattdessen ihrem aufgeblasenen Multi-Media-Fernseher, in dem schließlich verkündet wird: „In Brawndo steckt, was Pflanzen schmeckt – Es enthält Elektrolyte!“

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