Der verkappte Kommunist unter den Kapitalisten

Es war auf der letzten Weihnachtsfeier meiner Universität, als ich recht unverhofft als verkappter Kommunist bezeichnet wurde. Zugegebenermaßen hatte ich mal wieder leidenschaftlich meine Vorstellungen über eine bessere Verteilung der Ressourcen in unserer Gesellschaft zum Besten gegeben. Die Reaktion erstaunte mich dennoch. Ich grübelte stirnrunzelnd, ob das wohl stimmen könnte. Unser Universitätspräsident hatte die Diskussion nüchtern verfolgt, konnte sich aber mit dem Vorschlag anfreunden, Gregor Gysi zu diesem Thema einzuladen. „Wenn der kommt, dann brenn ich die Uni nieder“, entgegnete daraufhin die Kommilitonin, die mich zuvor in McCarthy-Manier als Kommunist bezeichnet hatte. Wir hatten wohl einfach zu viel getrunken.

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Update zu Konservatismus und Ambivalenz

Die Bundestagswahl hat eine Republik hinterlassen, deren Wahlkreiskarte erschreckend schwarz ist. Der Anblick dieses stolzen Bilds lockt auch sogleich ein paar versprengte Konservative aus der Versenkung hervor. Wolfgang Bok befindet im Cicero: „Die grüne Journaille hat versagt. Die Bundestagswahl ist ein Weckruf für den Journalismus. Die Bürger sind viel konservativer als die Medien Glauben machen wollen.“ Als Argument hat Bok nicht viel mehr anzubieten als den Wahlausgang.
In meinem Artikel über Konservatismus und Ambivalenz (unbedingt lesen! das beste, was ihr zu diesem Thema je gelesen haben werdet!) habe ich vor einigen Wochen argumentiert, dass der Konservatismus in Deutschland im Grunde am Ende sei, weil er seine Skepsis gegenüber dem Anderen, Uneindeutigen, gegenüber Ausländern und Schwulen, gegenüber alternativen Familienformen und der Vermischung der Geschlechterrollen aufzugeben im Begriff ist – und damit sein konstitutives Unterscheidungsmerkmal verliert. Das, habe ich behauptet, korreliert mit einem generellen Rückgang konservativer Positionen in der deutschen Bevölkerung. Ich finde, damit kann ich mich mit Fug zur „grünen Journaille“ zählen, auch wenn Herr Bok wahrscheinlich eher Schreiberlinge mit einer höheren Leserzahl und auf etablierteren Plattformen als diesem Blog im Blick hatte.

Darf man die AfD als rechtspopulistisch bezeichnen?

Ein paar Gedanken in aller Spontaneität

In einer Frühkritik der „Hart aber fair“-Ausgabe vom Montag wird die Konfrontation Bernd Luckes mit dem Vorwurf des Rechtspopulismus (ab min 8:00, leider ohne Rechte an den Bildern) als unfundiert und plump dargestellt – nur weil jemand mehrfach von „entarteter Politik“ spricht, ist er noch kein Rechtspopulist. Sicher mangelt es dem Vorwurf in der Sendung an einem soliden Fundament. Hier will ich dem ersten Spatenstich einen Zweiten hinzufügen:

Roger Griffin – ein weltbekannter Faschismusforscher – hat in seinem Artikel Fascism’s new faces (and new facelessness) in the ‚post-fascist‘ epoch das Propagieren einer „Degeneration“ des Nationalstaats, einen chauvinistischen und populistischen Ultra-Nationalismus und die mythisch verklärte Sehnsucht nach einer Wiedergeburt der Nation als drei Kernkomponenten seines Idealtypus faschistischer Ideologie ausgemacht. Spätestens wenn man mit dieser Brille Luckes Rede zur – die bis vor Kurzem auf der Startseite der AfD abrufbar war – anschaut, dann stellt sich die Frage, warum Fragen der Einwanderungspolitik ausgerechnet am Beispiel der Sinti und Roma durchexerziert werden, in einer Partei, die sich in der Tradition von Bismarcks Preußen sieht und die den Nationalstaat einem integrierten Europa vorzieht.

 

Sicher kann man die AfD nicht als faschistische Partei bezeichnen – ein solcher Vorwurf wäre platt und unangemessen, aber fischen wollen sie in diesen Gewässern anscheinend gern: Sinti und Roma als Beispiel für Fragen der Einwanderungspolitik, das Poklamieren einer degenerierten(/„entarteten“) Politik und Europaskepsis – da kann man die Konturen von Griffins Idealtyp mit ein wenig Mühe erahnen und es wird fragwürdig, ob man diese Rhetorik allein mit der Spontaneität der Reden Luckes erklären kann.
Man sollte die AfD also aufmerksam beobachten. Das sieht auch Tillmann Neuscheler von der FAZ so:
Andererseits: Wer weiß schon ganz genau, was all die anderen, unbekannten Parteimitglieder sagen. Die Zukunft der AfD wird auch davon abhängen, ob der Vorwurf, die AfD sei „rechtspopulistisch“, eine Verunglimpfung ihrer politischen Gegner war, oder ob da etwas Wahrheit dahinter steckt. Allein der Vorwurf ist keine Antwort.