Die Alternative für Europa

Das Zeitalter der Alternativlosigkeit ist an sein Ende gekommen. Mit Trump, Brexit und der „Alternative für Deutschland“ hat sich ein Gegenmodell zur Globalisierung formiert: Nationalismus, Abschottung, Repression. Wenn die offene Gesellschaft gegen diesen Ansturm eine Chance haben will, muss sie eine eigene, progressive Alternative entwickeln, anstatt den Status Quo zu verteidigen.

„There Is No Alternative.“ Margaret Thatcher begutachtet Truppen in Bermuda,  1990, gemeinfrei via Wikimedia Commons

„There Is No Alternative.“ Mit dem berühmten TINA-Prinzip leitete Margaret Thatcher Ende der 70er Jahre programmatisch das Zeitalter ein, das jetzt an sein Ende kommt: das Zeitalter der Alternativlosigkeit. Die rechten Bewegungen, die derzeit in Mitteleuropa Morgenluft wittern, während sie in den USA, Großbritannien, Ungarn, Polen und Bayern bereits an der Macht sind, präsentieren sich – ganz wie die Faschisten der 20er Jahre – vor allem als Alternative: zur Globalisierung, zu Europa, Technokratie und Freihandel, zur liberalen Demokratie mit Freiheitsrechten, Minderheitenschutz und Rechtsstaat. Der Status Quo ist für sie unerträglich – er muss radikal umgestürzt werden, koste es, was es wolle.

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Warum Donald Trump wählen?

Wenn in einem Monat in den USA gewählt wird, haben die Nordamerikaner einen anderthalb Jahre währenden Wahlkampf hinter sich gebracht. Aufgedreht durch die Deregulierung von politischen Großspenden und abgedreht durch die Polarisierung der beiden großen Parteien, ist es eine Herausforderung, die wirklich wichtigen Töne im Wahlkampf zu hören.

Besonders aus europäischer Perspektive ist amerikanische Politik meistens irritierend vertraut und doch unverständlich – schon Barack Obama wäre in Deutschland nach einer Umfrage mit 77 Prozent gewählt worden. In Amerika dagegen gab es ein richtiges Rennen, obwohl die potentielle Vize-Kandidatin der Republikaner Sarah Palin hieß. Dass die Stichwahl zwischen dem ehemaligen Reality-TV-Tycoon Trump und der erfahrenen ehemaligen Außenministerin Clinton nicht ganz eindeutig für Letztere ausfällt, ist aus unserer europäischen Perspektive schwer nachvollziehbar.
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Der Feind, liebe Linke, steht rechts

Gut, ich gebe es zu: Ich habe die Linken auf dem Kieker. Das liegt allerdings nur daran, dass ich selbst ein Linker bin. Ich will, dass alle Menschen frei und gleich werden. Ich will, dass die Welt besser und gerechter wird. Ich will, dass Rassismus, Sexismus und Nationalismus aus der Welt verschwinden, lieber gestern als morgen. Ich will, dass alle Menschen in Wohlstand leben können. Ich trage also auch das gute alte linke Bedürfnis mit mir herum, die Welt zu verändern. („Wir alle sind Atlanten und tragen die Welt auf den Schultern“, wie Erik gerade dichtete. Nunja, Ayn Rand nicht.) Wie viele meiner Freunde bestätigen können, bin ich auch mindestens so selbstgerecht wie die meisten Linken und habe außerdem einen ebenfalls typisch linken, nervtötenden Spaß daran, andere mit meinen politischen Ansichten zu belästigen. Eigentlich bin ich wahrlich ein Vollblutlinker.
Nun habe ich aber einige Probleme mit meinem Linkssein: Erstens werde ich nur selten als Linker wahrgenommen und anerkannt. Damit kann ich noch leben – ich behaupte einfach wacker weiter, dass ich dazugehöre. Zweitens aber finde ich zunehmend Ansichten und Aussagen von Linken, denen ich nicht nur nicht zustimmen kann, sondern denen ich ganz vehement widersprechen muss – und zwar gerade, weil ich links bin. Eine Einladung an junge Südeuropäer, in Deutschland eine Lehrstelle zu suchen, sei eine „Ohrfeige“ für die deutschen Jugendlichen, die, selbstverständlich, zuerst gefördert werden müssten, meint etwa Sahra Wagenknecht. Der Schweizer Sozialdemokrat Rudolf Strahm glaubt, Personenfreizügigkeit über nationale Grenzen hinweg sei ein „neoliberales und menschenverachtendes Konzept“. Oder nehmen wir die Forderung nach einer erneuerten nationalen „Grenzziehung gegenüber der sogenannten ‚Globalisierung’“, die der Soziologe Wolfgang Streeck erhebt. Und Paul Murphy von der Sozialistischen Partei Irlands, bis zur letzten Wahl Abgeordneter im Europäischen Parlament, befindet: „Gäbe es mehr europafeindliche Abgeordnete, ob von links oder rechts, würde das Parlament weniger Schaden anrichten.“

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David Simon and the End of the 20th Century Western Welfare Model

We all know the story by now, it goes like this: The world was good, back then, in the 1950s and 1960s. We had a nation state that cared for us, one that was actually capable of doing things: it built roads, provided decent schools and education, and, most importantly, it lessened poverty and social inequality. Why couldn’t it just stay that way forever? Why on earth did Milton Friedman, Margaret Thatcher, and Ronald Reagan have to come and clatter around our golden age of welfare paradise? Because so they did, around 1980, when Milton broadcast his famous, free-market advocating TV series Free to Choose, when Ronald gave speeches about choice and opportunity and when Maggie started her war on unions and state-owned businesses. Why couldn’t they just leave us alone?
As you may have noticed, I am slightly sceptical about that story. To me, it seems too simple, too conservative, and too centered on the development in the West, especially the US. This is not to say that it is utterly wrong, but rather that it is only a tiny shred of a much bigger story that is much more complicated and harder to grasp in all of it’s facets. I will hopefully explore this in a longer essay in the near future. However, what concerns me here is a new and very impressive piece by David Simon in The Observer. David Simon is the creator of The Wire, the best TV series of all times (even better, one might claim, than Friedman’s Free to Choose). As you know if you’ve watched it, it is about the decay of an American city, the great gap that divides American society, and the drug trade as a war on America’s underclass. If you haven’t watched it, just do it. Now. Nothing else matters. You can come back to this text once you’ve finished all of the incredibly good five seasons and 60 episodes of the show.