Mahnwache für den Seelenfrieden
2014 war nicht das friedlichste aller Jahre. Die Konflikte in Syrien, im Irak, in der Ukraine, in Palästina und in zahlreichen anderen Ländern haben Zehntausende Leben gefordert und Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Die Vereinten Nationen sprechen von der größten Flüchtlingskatastrophe seit 1945. 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten und 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs haben die Menschen immer noch nicht aufgehört, sich gegenseitig umzubringen. Man könnte meinen, 2014 sei kein gutes Jahr für den Frieden gewesen – wären da nicht die Mahnwachen für den Frieden.
Die Mahnwachen für den Frieden, auch bekannt als neue Montagsdemonstrationen, wurden im März 2014 zunächst als Protest gegen das Verhalten Deutschlands, der EU, der USA und der „Mainstreammedien“ im Ukrainekonflikt ins Leben gerufen, entwickelten sich aber rasch zu einem Sammelbecken für „Systemkritik“ jeglicher Art und Aktivisten verschiedenster Couleur. Sie stellen sich – wie es sich für moderne „besorgte Bürger“ wie auch PEGIDA, DÜGIDA, BAGIDA, OGIDA, PEGADA und demnächst sicherlich FRIGIDA und WÜRGIDA gehört – in die Tradition der Montagsdemos von 1989/90 und damit der Bürgerrechtsbewegung, die am Sturz des DDR-Regimes einen wesentlichen Anteil hatte. Die Friedensmahnwachen haben ihren Ursprung in Berlin, breiteten sich aber von dort auf die ganze Republik aus. Auch in Bielefeld haben sich Friedensfreunde zusammengefunden und die Friedensmahnwache Bielefeld 2014 ins Leben gerufen, die bis zum Winter einmal wöchentlich auf dem Kesselbrink tagte. Der Bielefelder Ableger fand zwar immer mittwochs statt, war aber davon abgesehen eine echte Montagsdemo.
Da ich natürlich für den Frieden bin, habe ich die Bielefelder Mahnwache für Frieden und Gerechtigkeit (so der alternative Name) im Sommer einige Male besucht, mich mit Aktivisten unterhalten und das ausgelegte Informationsmaterial studiert. So bekam ich einen Einblick in die Weltbilder dieser Friedensbewegten. Da die Veranstaltung offen gestaltet war und jede_r mal das Mikrofon in die Hand nehmen konnte, waren die Ansichten der Teilnehmer keinesfalls homogen – einig waren sie sich allerdings darin, dass ihre Weltdeutung eine alternative ist.
Have the Eurosceptics peaked?
Europa nach der Wahl – ein Spiel mit klaren Einsätzen?
Why is it so easy to fuck Europe?
Unentschlossenheit und Uneinheitlichkeit nach außen
In beiden Fällen haben wir es mit einem unentschiedenen außenpolitischen Auftreten der EU zu tun. Stets bereit, moralisch und rhetorisch zu intervenieren, fehlt ihr die Möglichkeit, die benötigten Ressourcen zum entscheidenden Zeitpunkt zu mobilisieren und nach außen hin geschlossen aufzutreten. Auf der anderen Seite zeigt das Beispiel der Ukraine, dass die europäische Idee auch während der Krise noch hohe Attraktivität besitzt, während die explizite Bitte Malis und Zentralafrikas die Nachfrage nach einer entschiedenen Politik im Namen europäischer Werte auch über die direkte Nachbarschaft hinaus verdeutlicht. Dabei erhöht die „neue Bescheidenheit“ der US-amerikanischen Außenpolitik gleichzeitig den Bedarf für eine europäische Entschiedenheit. Doch das Problem der Unentschlossenheit ist auch ein Innereuropäisches, wenn es in den innereuropäischen Strukturen nicht gar seinen Ursprung findet.
Nationale Rosinenpickerei und unklare Kommunikation im Innern
Wählen gehen!
Nun das Gute: Die Europawahl bietet die Möglichkeit, dem Europäischen Parlament eine stärkere Legitimität zu verleihen. Auch wenn sie kein Allheilmittel ist, bietet die Wahlbeteiligung von zuletzt 43 Prozent im europäischen Schnitt (Deutschland: 43,3 Prozent) in dieser Hinsicht ein deutliches Potenzial nach oben. In dem Maße, wie das Europäische Parlament an demokratischer Legitimation gewinnt, ist zu erwarten, dass auch nationale Regierungen der genuin europäischen Politik mehr Rechnung tragen. Nicht zuletzt würde dies einer Hegemonie einzelner starker Staaten, wie z. B. Deutschland, in der EU entgegenwirken und kleineren Staaten mehr Mitsprache ermöglichen.
Dies setzt jedoch mehr voraus, als nur einen Habermasschen Appell für eine Repolitisierung der europäischen Debatte. Vielmehr müsste bei den Bürgerinnen und Bürgern Europas ein Umdenken stattfinden, dessen Konsequenz eine stärkere Auseinandersetzung mit der europäischen Politik wäre. Und dazu müsste das Europäische Parlament sicherlich einiges an Klarheit gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern gewinnen. In diesem Zusammenhang sollte auch die Relevanz einer europäischen Öffentlichkeit für die Politisierung des Europäischen Parlaments erwähnt werden, die Erik in seinem Post herausgearbeitet hat. Jeder Schritt in Richtung einer höheren Wahlbeteiligung und einer differenzierten Auseinandersetzung mit europäischer Politik ist in dieser Hinsicht ein Schritt, mit dem man Europa entgegenkommt.
Führt man sich vor Augen, wie voraussetzungsvoll eine Stärkung des Europäischen Parlaments ist, schwindet der ohnehin schwache Optimismus zusehends. In diesem Sinne wird jedoch auch dieser Essay auf die Form eines Appells zurückgeworfen. Gerade deswegen will ich in Erinnerung rufen, dass es trotzdem nur ein stärker legitimiertes Parlament wäre, das nationale Interessen berechtigterweise in ihre nationalen Schranken verweisen könnte und damit den Boden für eine stärker inhaltliche Polarisierung der europäischen Debatten bieten würde, die eine einheitliche und klarer formulierte europäische Außenpolitik ermöglichen würde. Diejenigen, die noch nicht wissen, ob und wie sie wählen gehen sollen, fühlen sich vielleicht dadurch motiviert, dass am selben Tag (nach jetzigem Stand) auch in Kiev gewählt wird: Vielleicht schwappt so ein wenig Europabegeisterung zurück nach Europa – allen Konjunktiven zum Trotz.
Update zu Konservatismus und Ambivalenz
Darf man die AfD als rechtspopulistisch bezeichnen?
Ein paar Gedanken in aller Spontaneität
Roger Griffin – ein weltbekannter Faschismusforscher – hat in seinem Artikel Fascism’s new faces (and new facelessness) in the ‚post-fascist‘ epoch das Propagieren einer „Degeneration“ des Nationalstaats, einen chauvinistischen und populistischen Ultra-Nationalismus und die mythisch verklärte Sehnsucht nach einer Wiedergeburt der Nation als drei Kernkomponenten seines Idealtypus faschistischer Ideologie ausgemacht. Spätestens wenn man mit dieser Brille Luckes Rede zur – die bis vor Kurzem auf der Startseite der AfD abrufbar war – anschaut, dann stellt sich die Frage, warum Fragen der Einwanderungspolitik ausgerechnet am Beispiel der Sinti und Roma durchexerziert werden, in einer Partei, die sich in der Tradition von Bismarcks Preußen sieht und die den Nationalstaat einem integrierten Europa vorzieht.
Andererseits: Wer weiß schon ganz genau, was all die anderen, unbekannten Parteimitglieder sagen. Die Zukunft der AfD wird auch davon abhängen, ob der Vorwurf, die AfD sei „rechtspopulistisch“, eine Verunglimpfung ihrer politischen Gegner war, oder ob da etwas Wahrheit dahinter steckt. Allein der Vorwurf ist keine Antwort.
Konservatismus und Ambivalenz – Eine neue deutsche Möglichkeit
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