Japanische Verhältnisse – eine Polemik

Die Ampeln sind laut in Japan. Schaltet eine auf grün, ertönt eine Melodie. Wie das Intro eines Gameboyspiels dröhnt aus den Ampeln zum Gehen Musik und gewöhnt die Passanten besser an die Ampelphasen als Pavlov seine Hunde ans Essen. Alles in Japan scheint zu blinken und laute Geräusche von sich zu geben.
Die Bahnen sind größer und voller, während ihre Insassen fast still sind. Mit erschreckender Effizienz reihen sich die Pendler selbst in überfüllten Bahnhöfen in Reih und Glied, nur um wie ein engmaschiges Kettenhemd die Fahrt in völliger Stille zu durchstehen.

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Eigentum verpflichtet – warum die stärkere Besteuerung von Erbschaften wichtig und gerecht ist

Und plötzlich ist er da, der große Unterschied, nachdem man Nächte lang zusammen geschwitzt hat, um die Präsentation für den Chef im unterbezahlten Agenturjob doch noch fertig zu bekommen. Nachdem die erste Stelle nach den gemeinsamen Jahren der Entbehrung zwar nicht gerecht wird, aber zumindest die Ausbildung würdigt. Nachdem der Konzern die Frustrationstoleranzgrenze ausgereizt hat mit dem Versprechen eines Karrieresprungs. Wir werden gemeinsam im Freundeskreis sitzen, mit den gleichen Erzählungen von Mühen und Niederlagen, von guten Deals und steilen Karrieren und mit Mitte dreißig wird uns etwas entzwei reißen, das vorher nicht mehr als eine Randnotiz war – die einen werden erben und die anderen nicht.

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Die technologische Zukunft, um die niemand gebeten hatte

An den Zeitpunkt, als für mich die Zukunft anfing, erinnere ich mich nicht mehr. Ich hatte vorher bereits gelernt, über die DOS-Kommandozeile mein Lieblingsspiel durch die Eingabe des Dateipfades zu starten, aber an den Zeitpunkt, als ich mich zum ersten Mal ins Internet einwählte, erinnere ich mich nicht. Wohl aber an das Fiepen des Modems – wahrscheinlich, weil es so skurril war, dass es aus einer Science-Fiction-Komödie aus den 70er Jahren hätte stammen können. So tollpatschig und beschränkt feierte es sein Debut, dass ich die Erinnerung einfach überschrieb.

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Der Wolf im Sharingpelz – warum die gesellschaftliche Wirkung der Sharing-Ökonomie besser ist als ihr Ruf

Dieser Artikel ist der zweite in einer Reihe über den Einfluss der ‚Sharing Economy‘ und ‚On-Demand Economy‘ auf Wirtschaft und Gesellschaft. Der erste Artikel Die Grenzen des Wachstums: Warum nach der Expansion jetzt die Erschließung kommt erschien bereits im November.

Der Einfluss der Sharing Economy ist unbestritten, ihre Wirkung steht jedoch in der Kritik. Sie verdamme uns zu ‚ewigen Händlern‘, warnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. ‚Erstaunlich talentierte Märchenerzähler‘ seien am Werk, die das Versprechen einer billigeren und umweltfreundlicheren Ökonomie nicht einlösten. Eine Alternative zum Kapitalismus sei die Sharing-Ökonomie gewesen, bevor die Investoren auftraten, sagt die Zeit. Das Resultat sei die Aushöhlung des Arbeitsschutzes, der zu einem Prekariat aus Tagelöhnern führe – alles bereits da gewesen, bloß jetzt kostenpflichtig und kommerziell. Und da kommt sie nun, die Sharing Economy als Wolf im Schafspelz: Außen fluffig und philantrophisch, innen profitgetrieben und gesellschaftszersetzend.

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Die Grenzen des Wachstums: Warum nach der Expansion jetzt die Erschließung kommt

Dieser Artikel ist der erste in einer Reihe über den Einfluss der ‚Sharing Economy‘ und ‚On-Demand Economy auf Wirtschaft und Gesellschaft. Die Fortsetzung findest du hier

Wenn Isabelle pünktlich sein möchte, muss sie früh aufstehen. Die Busverbindung von Baracoa, einem Vorort Havanas auf Kuba, bis zur Universität schlängelt sich mitten durch die Stadt. Der Bus benötigt dafür gute vierzig Minuten – eine Fahrzeit, die sie mit Frankfurter Großstadtverweigerern und dem Berliner Durchschnittspendler teilt. In sehr unregulierten Teilen Deutschlands, wie zum Beispiel dem Hauptstadtbezirk Neukölln mit seiner Buslinie M41, kommt es darüber hinaus auch mal zu Verzögerungen und sogar ganzen Ausfällen, die in gruppentherapeutischen Maßnahmen medienwirksam aufgearbeitet werden müssen. Grund zur Beschwerde gibt es dagegen bei Isabelle nicht, denn wo kein Busfahrplan existiert, gibt es auch keinen Anspruch auf Regelmäßigkeit. „Er kütt wenn er kütt“, würde der Kölner sagen.

Besser anders: Zum Rücktritt Stephan Jansens als Präsident der Zeppelin Universität

Endlich weg. Das könnten sich sowohl die Gegner des scheidenden Präsidenten der Zeppelin Universität gedacht haben, als auch Prof. Dr. Stephan Jansen selbst. Elf Jahre, nachdem er die Universität gründete, die er seither zur Hochschul- und Promotionsakkreditierung führte, verlässt er die Universität. Ungewöhnlich für eine Hochschulpersonalie bei einer Studentenschaft von etwas über eintausend Studenten ist die Aufmerksamkeit: Ein Bericht des Südkuriers über leistungsbezogene Zahlungen der Universität an ihren Präsidenten in Verbindung mit seinem Rücktritt zog unter anderem das Interesse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, von Spiegel Online sowie des Manager Magazins auf sich. So viel Interesse der großen Zeitungen an der kleinen Universität gab es zuletzt bei der Verleihung des Promotionsrechts.

Generation Y: Eine Abrechnung

Es ist anscheinend zum Verzweifeln mit der Generation Y. Wir sind die „erste Generation, die mit der Work-Life-Balance-Welle groß geworden ist. Behütet, in Wohlstand gebettet“. Der Economist publizierte erst zuletzt eine Umfrage, die bestätigte, dass wir als die schwierigsten Mitarbeiter mit der geringsten Arbeitsmoral, Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenz seit dem Zweiten Weltkrieg angesehen werden.  In vorauseilendem Gehorsam zweifelt ein Journalist der NZZ in seiner frühen Midlife-Crisis daran, „dass meine Generation, diese lethargische, verunsicherte, von einer postideologischen Welt im Stich Gelassene, es vermag, aufzustehen und fundamentale Konflikte zu lösen“. Selbst Sokrates bemerkte bereits über die Generation Y: „Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte“.

Journalist oder Aktivist? Hauptsache Bernd Lucke.

Zeitungen und Pokerkarten haben eines gemeinsam – manche Kombination sollte man besser weglegen. Bernd Lucke und die durch Gewitterwolken verdunkelte Akropolis in einer Wirtschaftszeitung ist so eine Kombination. Ich las ihn dann doch, diesen Artikel in der Wirtschaftswoche, aus dem gleichen Leichtsinn, aus dem ich regelmäßig Ausflüge in das finstere Tal der Spiegel Online-Kommentare unternehme. Oder um es mit einem Filmzitat zu sagen:

Die kaputte Generation: Eine Diskussion mit Benedikt Herles

Eigentlich hätte es eine langweilige Debatte werden müssen. Benedikt Herles, geläuterter Unternehmensberater und Buchautor, war an der Zeppelin Universität geladen, um über seine Kritik an der kaputten Wirtschaftselite zu diskutieren. Während andere die „Global Leaders of Tomorrow“ bauen möchten, hat es sich die Privatuniversität am Bodensee zur Aufgabe gemacht, „verantwortungsbewusste EntscheiderInnen und kreative GestalterInnen“ auszubilden und arbeitet aktiv daran, dass sich Querdenker auch tatsächlich für diese Universität entscheiden. Die Einleitung von Herles’ Buch liest sich wie die Informationsbroschüre für ZU-Studienbewerber ohne akademischen Unterbau. Es besteht Konsens.

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Der verkappte Kommunist unter den Kapitalisten

Es war auf der letzten Weihnachtsfeier meiner Universität, als ich recht unverhofft als verkappter Kommunist bezeichnet wurde. Zugegebenermaßen hatte ich mal wieder leidenschaftlich meine Vorstellungen über eine bessere Verteilung der Ressourcen in unserer Gesellschaft zum Besten gegeben. Die Reaktion erstaunte mich dennoch. Ich grübelte stirnrunzelnd, ob das wohl stimmen könnte. Unser Universitätspräsident hatte die Diskussion nüchtern verfolgt, konnte sich aber mit dem Vorschlag anfreunden, Gregor Gysi zu diesem Thema einzuladen. „Wenn der kommt, dann brenn ich die Uni nieder“, entgegnete daraufhin die Kommilitonin, die mich zuvor in McCarthy-Manier als Kommunist bezeichnet hatte. Wir hatten wohl einfach zu viel getrunken.

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