Mut in Zeiten des Terrors

Wir Europäer seien „selber schuld“ an den Anschlägen, schallt es aus den Kommentaren – wegen einer imperialistischen Politik, sagen die einen. Wegen einer fehlgeleiteten Immigrationspolitik, sagen die anderen. „Zu schwach“ seien wir, „um unsere Werte zu verteidigen“.

Es ist ein vertrautes Gefühl nach der Katastrophe. Nach dem Schock, dass so etwas mitten unter uns passieren konnte und der Trauer über dieses Mädchen, dass da in Sneakers auf dem Boden liegt, die Arme friedlich überkreuzt und jetzt tot ist. So tot wie 130 weitere Menschen, die vorletzten Freitag ausgehen wollten. Es hätte auch meine Schwester sein können. Es hätte jeder sein können.
„Mut in Zeiten des Terrors“ weiterlesen

In the name of Europe: A new style of politics in the refugee crisis?

This week started with two political events that concerned the EU: On the one hand, Greek voters approved of Alexis Tsipras’ way of dealing with the Greek economic and political crisis. On the other hand, the European Ministers of the Interior agreed on a quota to relocate 120.000 refugees among the EU member states.
These events may appear to be distinct, but if one focuses on their structural causes a lot of similarities between both phenomenons can be detected. They both happened in an insufficient pre-crisis set-up during which warnings were ignored, and national rather than European interests were pursued. Once the problems became manifest and could no longer be ignored both cases led to a situation in which the persistence of the European Union, or part of its political achievements, were put into question. This was the case because national politicians did not seem to be willing, and European politicians did not seem to be entitled, to reach an agreement on a structural reform of the EU. Finally, both crises called for an exceptional role of German politics to absorb the foreseeable and avoidable negative consequences, caused by a regulatory framework which itself is strongly influenced by German politics.

Moderne Insulaner – Warum die Flüchtlingskatastrophe ein Umdenken erfordert

Wenn man in der letzten Zeit Zeitung liest oder sich anderweitig informiert, dann fällt einem die bedeutungsschwangere historische Rhetorik auf, mit der die Probleme beschrieben werden. Diese Rhetorik findet sich sowohl in Form der „größten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg“ als auch bei der „größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit gut 80 Jahren“ und der Tatsache, dass viele Beobachter und Politiker sich das neue imperialistische Vorgehen Russlands im 21. Jahrhundert nicht mehr vorstellen konnten.

Will 2015 change UK Politics?

Since 1935 the United Kingdom has held its General Elections on a Thursday, unlike other European countries which tend to hold their elections on Sundays. This year, the Election is going to be held on the 7 May and the campaign is well under way. With fewer than three weeks before the election, it’s probably time that this blog’s UK correspondent chimes in!

From the time when the UK moved to being a ‘true’ democracy at the turn of the 20th Century, typically, the UK’s political landscape has been dominated by a succession of Conservative governments, punctuated by the occasional Labour government. This phenomenon can be attributed to, among other things, but probably most significantly, the use of the ‘first past the post’ system. Other than making psephology a relatively easy task in the UK, it has meant that a certain degree of stability can be more or less guaranteed.

Something which, if you’re invested in Labour or Conservative, is great!

„Will 2015 change UK Politics?“ weiterlesen

Tsipras gegen Merkel? Wie man über Europa schreiben sollte – und wie nicht

Nur selten ringe ich mich dazu durch, mir einen Spiegel zu kaufen. Mein Problem: Da ich mich für fast alles interessiere, komme ich kaum umhin, fast das gesamte Heft zu lesen (das einzige, was mich wirklich gar nicht interessiert: welcher Fuzzi nun welches Unternehmen leitet), und das kostet mich üblicherweise mindestens einen ganzen Tag. Ab und an tue ich es aber doch, nehme mir einen Tag Zeit und fühle mich am Ende gut über die meisten aktuellen Themen informiert – besser jedenfalls, als wenn ich, womöglich stündlich, die Sensationsmeldungen im Internet verfolge, die meistens ohne jede Einordnung und Analyse nur ein paar Informationsfetzen präsentieren.

Am Sonntag habe ich mir also wieder einmal einen Spiegel gekauft, aus dem einfachen Grund, dass ich wissen wollte, was nun schon wieder mit den Griechen los ist, und was das für Europa bedeuten kann. Der Titelbericht mit dem dümmlichen Titel Der Wutgrieche (hier eine frei zugängliche englische Version, die teilweise noch schlimmer ist) ist aber in eigentlich jeder Hinsicht eine Enttäuschung: Nicht nur enthält er quasi keine selbst recherchierten Hintergründe aus Griechenland, etwa: Welche Parteien standen überhaupt zur Wahl? Wie funktioniert das griechische Parteiensystem? Woher kommt Syriza? Wer sind die Minister im neuen Kabinett? Er weigert sich auch, darüber nachzudenken, ob die derzeitige europäische Krisenpolitik, die komplett daran gescheitert ist, Griechenland vor einer ausgewachsenen Great Depression zu bewahren, wirklich Sinn macht, oder ob es nicht doch Alternativen gibt (und wenn ja: welche? wie kann man sich ihre praktische Umsetzung vorstellen?). „Tsipras gegen Merkel? Wie man über Europa schreiben sollte – und wie nicht“ weiterlesen

Have the Eurosceptics peaked?

Last time I wrote an entry in this blog it was about whether the UK should actually have its referendum on EU membership, so it’s only right that I continue this theme and look at the state of Euroscepticism. This will be a short entry and, out of pure laziness, I’m going to take a British perspective too.
Ipsos MORI, a polling company based in the UK, has released a new poll indicating that support for EU membership is the highest it has been for 23 years, and this is despite the gains the United Kingdom Independence Party (UKIP) has been making recently. We have similar news from the European Parliament that the European political group, ‚Europe of Freedom and Direct Democracy‘ (EFDD), has been struggling to maintain support, collapsing for four days after Latvia’s Iveta Grigule MEP defected from the group causing it to lose its required representation from seven member-states; Polish MEP Robert Iwaszkiewicz from the Congress of the New Right party joined the group on 20 October, restoring its required representation.

„Have the Eurosceptics peaked?“ weiterlesen

Der Feind, liebe Linke, steht rechts

Gut, ich gebe es zu: Ich habe die Linken auf dem Kieker. Das liegt allerdings nur daran, dass ich selbst ein Linker bin. Ich will, dass alle Menschen frei und gleich werden. Ich will, dass die Welt besser und gerechter wird. Ich will, dass Rassismus, Sexismus und Nationalismus aus der Welt verschwinden, lieber gestern als morgen. Ich will, dass alle Menschen in Wohlstand leben können. Ich trage also auch das gute alte linke Bedürfnis mit mir herum, die Welt zu verändern. („Wir alle sind Atlanten und tragen die Welt auf den Schultern“, wie Erik gerade dichtete. Nunja, Ayn Rand nicht.) Wie viele meiner Freunde bestätigen können, bin ich auch mindestens so selbstgerecht wie die meisten Linken und habe außerdem einen ebenfalls typisch linken, nervtötenden Spaß daran, andere mit meinen politischen Ansichten zu belästigen. Eigentlich bin ich wahrlich ein Vollblutlinker.
Nun habe ich aber einige Probleme mit meinem Linkssein: Erstens werde ich nur selten als Linker wahrgenommen und anerkannt. Damit kann ich noch leben – ich behaupte einfach wacker weiter, dass ich dazugehöre. Zweitens aber finde ich zunehmend Ansichten und Aussagen von Linken, denen ich nicht nur nicht zustimmen kann, sondern denen ich ganz vehement widersprechen muss – und zwar gerade, weil ich links bin. Eine Einladung an junge Südeuropäer, in Deutschland eine Lehrstelle zu suchen, sei eine „Ohrfeige“ für die deutschen Jugendlichen, die, selbstverständlich, zuerst gefördert werden müssten, meint etwa Sahra Wagenknecht. Der Schweizer Sozialdemokrat Rudolf Strahm glaubt, Personenfreizügigkeit über nationale Grenzen hinweg sei ein „neoliberales und menschenverachtendes Konzept“. Oder nehmen wir die Forderung nach einer erneuerten nationalen „Grenzziehung gegenüber der sogenannten ‚Globalisierung’“, die der Soziologe Wolfgang Streeck erhebt. Und Paul Murphy von der Sozialistischen Partei Irlands, bis zur letzten Wahl Abgeordneter im Europäischen Parlament, befindet: „Gäbe es mehr europafeindliche Abgeordnete, ob von links oder rechts, würde das Parlament weniger Schaden anrichten.“

„Der Feind, liebe Linke, steht rechts“ weiterlesen

La France Antisémite. Essai d’Histoire Contemporaine

Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst des Antizionismus. Überall in Europa finden derzeit Demonstrationen unter Mottos wie „Frieden für Palästina“ statt, auf denen gegen den Krieg in Gaza und Israel protestiert wird. Diese Proteste arten in trauriger Regelmäßigkeit in antisemtische Spektakel aus. In deutschen Städten werden offen judenfeindliche Parolen skandiert und proisraelische Demonstranten angegangen, in London legten 10.000 Demonstranten die Stadt vorübergehend lahm, in Innsbruck wurde eine Frau mit Israelflagge attackiert und verletzt, in Antwerpen riefen Protestierende „Tötet die Juden“. Besonders heftig eskalierten die Demonstrationen in Frankreich. In Paris griffen Demonstranten zwei Synagogen an, fackelten Autos ab und zerstörten jüdische Geschäfte. Proisraelische Demonstraten und Juden wurden angegriffen. Die Menge skandierte „Tod den Juden

„La France Antisémite. Essai d’Histoire Contemporaine“ weiterlesen

Ein Land in der Klemme: Frankreich zwischen Nation und Europa

Sehr geehrter Herr X,
ich habe Ihr Ablehnungsschreiben erhalten und es sorgfältig gelesen. Leider kann ich Ihrem Wunsch nicht folgen. Ich erhalte in diesen Tagen unzählige Ablehnungen und Sie werden verstehen, dass ich nicht alle akzeptieren kann.
Ich werde daher wie angekündigt nächsten Montag um 8:00 Uhr bei Ihnen erscheinen, um meine Stelle anzutreten.
Vielen Dank für Ihr Interesse und viel Erfolg bei weiteren Ablehnungsschreiben.
Freundliche Grüße,
X
Diesen Post habe ich vor wenigen Tagen bei Facebook entdeckt, er war jedoch auf Französisch. Ich verbringe im Moment ein Auslandssemester in Rouen in der Haute-Normandie und möchte diesen Umstand zum Anlass nehmen, etwas über die Wahrnehmung Europas in Frankreich zu schreiben – so weit mir das auf Grundlage meiner persönlichen Erfahrungen, Zeitungslektüren und einigen wissenschaftlichen Texten möglich ist.

„Ein Land in der Klemme: Frankreich zwischen Nation und Europa“ weiterlesen

„Wir sind der europäischste Teil der Europäischen Union“. Interview mit Norbert Glante, MdEP

Norbert Glante, 61, ist seit 1994 Mitglied der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D) im Europäischen Parlament. Das SPD-Mitglied aus Brandenburg arbeitet dort insbesondere im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie.

Das Telefoninterview führte Erik Brandes am Donnerstagmorgen; Vor- und Nachbereitung übernahmen Erik und Sören Brandes.
Unsere Zeit: Herr Glante, als Europa-Parlamentarier pendeln Sie zwischen Brüssel, Straßburg und Ihrem Wahlkreis Brandenburg. Wie finden Sie Brüssel? Gefällt Ihnen die Stadt oder freuen Sie sich dann doch, wenn Sie wieder in Werder an der Havel sind?

„„Wir sind der europäischste Teil der Europäischen Union“. Interview mit Norbert Glante, MdEP“ weiterlesen